A Noble Circle

Der Blogeintrag zu A Noble Circle liegt nun schon eine gute Weile in meinem Entwurfsordner. Es wird endlich Zeit ihn fertig zu stellen. Die Sache hat nur leider einen Haken. Zwei, um genau zu sein. Erstens habe ich beim Durchspielen so gut wie keine Screenshots gemacht. Und zweitens habe ich der Story nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie eigentlich verdient hätte. Ich bin fest davon ausgegangen, nach Abschluss des Spiels noch einmal die Möglichkeit zu haben, mich durch den gesamten Verlauf scrollen zu können. Tja, falsch gedacht. Ach ja, und die meiste Zeit habe ich auch noch ohne Kopfhörer gespielt. Über den Soundtrack werde ich also auch so gut wie nichts auf digitales Papier bringen können.

Ein zweites Mal werde ich A Noble Circle sicher nicht angehen. Nicht weil es sich um ein schlechtes Spiel handelt, ganz im Gegenteil. Sondern weil es einer der schwersten Spieletitel ist, die ich seit langem in Händen gehalten habe. Im wahrsten Sinne des Wortes in den Händen, da A Noble Circle für das iPhone erschienen ist.

Die Kurzfassung für den eiligen Leser vorne weg. A Noble Circle ist ein großartiges iOS-Spiel, einhändig auch im Stehen in der U-Bahn spielbar. Eine sehr hohe Frustrationstoleranz vorausgesetzt.

Aber immer schön der Reihe nach.

Twitter

9.Februar 2017, Amir Rajan lacht mir auf Twitter entgegen.

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A Dark Room war grandios, The Ensign ebenso. Und jetzt A Noble Circle gegen eine kleine Spende für den guten Zweck? Hoffentlich fragt mich niemand nach dem Verbleib meiner Überweisung an die American Civil Liberties Union.

Durchgespielt!

21.Februar 2017, durchgespielt! Endlich. Knapp zwei Wochen lang äußerst schmerzvolle Lektionen über Durchhalten und das Überwinden von Frustration erfahren.

„Weiter und weiter! Nochmal probieren. Ich will das Ende sehen! Oh Mann ist dieser Abschnitt schwer. Tutorial auf YouTube ansehen. Wieder gescheitert. Was, nochmals den ganzen Abschnitt von vorne spielen? Arghhhhh! Das kann man nicht schaffen!“
(Wash, rinse, repeat.)

Prologue

Wieder am Anfang. A Noble Circle erfolgreich durchgespielt. Keine Screenshots, keine Notizen, nichts. Die Voraussetzungen für einen Post könnten also nicht schlechter sein.

Die Rettung, A Noble Circle Prologue und das Buch Flatland.

Der Prolog ist im App Store kostenlos erhältlich, das eigentliche Spiel kostet inzwischen wieder 99 Cent. Für meinen Post auf den Vorspann zurückgreifen zu können war Gold wert. Irgendwoher müssen die Bilder ja kommen.

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Empfehlen möchte den Prolog dennoch nicht. Direkt an das Spielende hat Amir Rajan eine persönliche Nachricht an den Spieler geknüpft. Eine Meta-Ebene zum Spiel. Nun handelt es sich bei A Noble Circle aber wie gesagt um einen wirklich schweren Titel. Ein Großteil der Spieler wird diese abschließenden Worte vermutlich nie zu Gesicht bekommen. Dies hat Amir wohl dazu verleitet, auch den Prolog, letzten Endes nur eine kurze Demo des Spiels, ebenfalls mit seiner Botschaft zu versehen. In meinen Augen schmälert dies jedoch den Erfolg des mühsamen Erspielens. Und nimmt den Worten das Gewicht, das sie haben, wen man A Noble Circle in seiner Gänze erlebt hat.

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Dem Wunsch des Entwicklers nachkommend halte ich mich bezüglich des Inhalts seiner Worte zurück. Zumindest den Prolog muss man hierfür gespielt haben. Soviel sei aber verraten…

HOPE

A Noble Circle

Bei A Noble Circle handelt es sich um ein Spiel in einer Welt, der die dritte Dimension abhandengekommen ist. Alleinig der Spieler befindet sich außerhalb von Flatland. Der schwarze Kreis, Hauptcharakter des Spiels, und alle, die sich ihm auf seiner Flucht in den Weg stellen, existieren in einer rein zweidimensionalen Welt.

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Als Spieler blickt man von oben auf die Spielwelt und übernimmt die Kontrolle über den Kreis. Dieser bewegt sich unentwegt vom linken zum rechten Bildschirmrand und wieder zurück. Hin und her. Immer und immer wieder.

Ein Tippen und der Kreis springt vorwärts.

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Befindet sich der Kreis in der Mitte des Touchscreens so führt ein Antippen zu einem großen Sprung. Nah am Rand sind kleine Sprünge möglich. Mehrmaliges, schnelles Antippen führt zu Doppel- und Mehrfachsprüngen. Aber „springen“ ist eigentlich das falsche Wort. Alles spielt sich ja in der zweiten Dimension ab. Vielmehr ist das, was man als Spieler als Sprung wahrnimmt, ein schnelles Vorpreschen.

IMG_0294.PNGJede Kollision mit einem statischen Hindernis oder einem Gegner wird mit dem sofortigen Tod bestraft. Der Kreis zerspringt in unzählige Einzelteile.

 

dead.pngNeuer Versuch. Und noch einer. Und noch einer.

Die einzige Möglichkeit zu Überleben ist das geschickte Ausweichen. Scheitert man an mehrfach an einer Herausforderung, so wird das jeweilige Hindernis nach fünf Misserfolgen vereinfacht. Anstelle von zum Beispiel zehn dreieckigen Soldaten steht man dann nur noch zweien gegenüber.

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Und selbst dann ist das Spiel mitunter noch eine richtig harte Nuss. Spätestens dann, wenn Laserbarrieren den Weg versperren.

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Das ist auch schon alles was man über das Spielprinzip von A Noble Circle wissen muss. Und so bewegt sich der Kreis vom Spieler gesteuert auf einem endlosen Band Kapitel für Kapitel seinem Ziel entgegen, dem Entkommen aus Flatland.

Jeder erfolgreiche Sprung zählt den Score nach oben. Jeder Tod setzt ihn wieder auf null zurück. Der jeweils erreichte Highscore bleibt bis zum Spielende erhalten.

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Zwischen den einzelnen Passagen finden sich die Geschichte Flatlands und die Besonderheiten einer zweidimensionalen Welt eingestreut. Wer sind die Bewohner Flatlands? Wie könnte eine zweidimensionale Welt und deren Bewohner aussehen? Vor welche Herausforderungen ist man gestellt, wenn die Weltsicht auf nur zwei Dimensionen beschränkt ist?

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Welche Gesellschaftsform hat sich in Flatland herausgebildet? Und was macht den Kreis zu solch einem Außenseiter?

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Zu Ende des Spiels, so viel sei verraten, gelingt dem Kreis die Flucht in die dritte Dimension. Mit der Fähigkeit Flatland, wenn auch nur temporär, verlassen zu können, stehen dem Spieler nun ganz neue Möglichkeiten offen, Hindernisse zu überwinden.

Mit diesen neuen Fähigkeiten ausgestattet steht es dem Spieler nach erfolgreichem Abschluss des Spiels offen, Flatland ein weiteres Mal zu bereisen. Gebremst wird der nun nahezu allmächtige Kreis jedoch durch große Wasserpfützen, die durch zerplatzende Regentropfen entstehen. Die dritte Dimension hat Einzug in Flatland gehalten.

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Flatland

Auf das Buch Flatland des englischen Theologen Edwin A. Abbott bin ich nur durch Zufall gestoßen. Eigentlich hatte ich auf Amazon nach etwas ganz anderem gesucht. Das ein Buch aus dem Jahre 1884 den Hintergrund für A Noble Circle bildet war mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst.

Auch wenn das Spiel in einigen Punkten von der Buchinspiration abweicht, so ist Flatland doch der geistige Vater hinter A Noble Circle.

Im ersten Teil des 114-seitigen Buches wird die zweidimensionale Welt Flatlands in ihrer Gänze beschreiben. Eingebettet in eine Geschichte über Geometrie und Dimensionen findet sich hier eine Gesellschaftskritik des späten 19.Jahrhunderts in England.

Der zweite Teil des Buches beschreibt die Entdeckung der dritten Dimension durch einen Bewohner Flatlands und die daraus resultierenden Konsequenzen.

Prometheus up in Spaceland was bound for bringing down fire for mortals, but I—poor Flatland Prometheus—lie here in prison for bringing down nothing to my countrymen.

Persönlicher Höhepunkt ist der Besuch der Hauptperson des Buchs, ein Quadrat, in Pointland. Eine singuläre Welt, der jegliche Mehrdimensionalität fehlt. Der Versuch, dem Punkt als einzigem Bewohner, die Existenz weiterer Dimensionen zu vermitteln scheitert kläglich. Die Stimme des Quadrats nimmt der Punkt als seine eigenen Gedanken war, da ihm jegliches Wahrnehmungs- und Vorstellungsvermögen fehlt, über seine nichtdimensionale Welt hinauszudenken.

“Ah, the joy, ah, the joy of Thought! What can It not achieve by thinking! Its own Thought coming to Itself, suggestive of Its disparagement, thereby to enhance Its happiness! Sweet rebellion stirred up to result in triumph! Ah, the divine creative power of the All in One! Ah, the joy, the joy of Being!” “You see,” said my Teacher, “how little your words have done. So far as the Monarch understands them at all, he accepts them as his own—for he cannot conceive of any other except himself—and plumes himself upon the variety of ‘Its Thought’ as an instance of creative Power. Let us leave this God of Pointland to the ignorant fruition of his omnipresence and omniscience: nothing that you or I can do can rescue him from his self-satisfaction.”

Fazit

A Noble Circle ist auf viele Arten großartig. Schlicht und doch tiefgründig. Allein seine Meta-Ebene macht das Spiel zu einer Erfahrung und bietet einen wertvollen Denkanstoß. Hinzu kommt die Befriedigung ein wirklich schweres Spiel gemeistert zu haben.

Dann noch das Buch Flatland, das ich ohne A Noble Circle gespielt zu haben wohl nie gelesen hätte.

Was mir noch bleibt sind Amir Rajans Posts auf seiner Homepage, die den Entwicklungsprozess des Spiels im Detail beschreiben, Building a Game in Thirty Days.

Und natürlich sein neues Werk, Mildly Interesting RTS. Wer hätte es gedacht, ebenfalls ein im Design simpler aber im Spielen richtig schwerer Titel.