Luxuria Superbia

Bei Luxuria Superbia handelt es sich um einen einzigen orgastischen Acid-Trip. Entweder haben mich die vergangenen drei Stunden der Erleuchtung einen gewaltigen Schritt näher gebracht, oder aber einen wichtigen Teil meines Gehirns für immer geschädigt.

Zwölf Säulen eines Tempels gilt es zum Erblühen zu bringen. Aufgabe des Spielers ist es, in die Blüten der dort sprießenden Pflanzen einzudringen mit dem Ziel, eine Polleneruption auszulösen.

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Letztendlich vollführt man eine Art spirituellen Geschlechtsakt, bei dem es gilt, durch geschicktes Reizen und zwischenzeitliches Abklingen lassen, den angestrebten Höhepunkt so lange wie nur möglich hinauszuzögern. Je geschickter einem dieser Balanceakt gelingt, desto mehr Punkte fährt man ein und desto schneller wird die jeweilige Säule in ihrer Gesamtheit erblühen. Und auch in dem Moment absoluter Ekstase, ein Kaleidoskope aus Farben, Formen und Klängen, gilt es so lange wie nur möglich zu verweilen, um auch den Boden entlang des Tempels zum Aufblühen zu bringen.

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Nur sehr schwer ist Luxurias Spielmechanik in Worte zu fassen, und diese vermögen kaum das wiederzugeben, was man bei dem Trip ins Blüteninnere erlebt. Ein Video tut Not.

Vollkommen abgefahren das Ganze!

Fazit

Eines ist schon mal klar, wer unter Photosensibilität leidet, der lässt besser die Finger von diesem Spiel.

Auf howlongtobeat.com habe ich mich ein wenig umgehen, wieviel Zeit andere Spieler in Luxuria Superbia verbracht haben. Dabei ist mir klar geworden, dass man diesen Titel entweder begeistert durchspielt, oder aber genervt nach nur wenigen Minuten wieder beiseitelegt.

Mich persönlich hat das Spiel vollkommen in seinen Bann gezogen. Fast ohne Unterbrechung bin ich in all den Blüten versunken und habe den Tempel in leuchtende Regenbogenfarben getaucht. Einmal angefangen, konnte ich einfach nicht mehr aufhören. Stets von der Angst begleitet, doch noch sabbernd vom Stuhl zu kippen.

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Ein schweres Spiel ist Luxuria Superbia nicht, aber es erfordert schon ein wenig Übung, bis man den Bogen raushat. Vor allem das möglichst lange Verweilen im Zustand des „Orgasmus“ ist mir persönlich schwergefallen.

Ausgelegt ist der Titel ganz klar für ein Touch-Interface. Aber die Steam-Version, die ich dank Humble Bundle besitze, hat sich auch sehr gut mit Apples Magic Trackpad spielen lassen.

Wer gerne abseits des Mainstreams spielt und sich auch für die bizarrsten Independent-Kreationen zu begeistern vermag, für den ist Luxuria Superbia genau das richtige Spiel. Für alle anderen dürfte es aber schwer werden, sich in das Werk des belgischen Entwicklerpaars Tale of Tales hineinzufinden.

Tattletail

Und weiter geht es mit einem Titel, der Humble Bundle sei Dank in meine Steam-Bibliothek gewandert ist. Mit einer Gesamtspielzeit von gut eineinhalb Stunden laut howlongtobeat.com. Irgendetwas muss ich aber wohl falsch gemacht haben, denn letzten Endes habe ich fast das Doppelte an Zeit in das kleine Horrorspiel des Entwicklers Waygetter Electronics versenkt. Drei Stunden, die es aber in sich hatten. Ich weiß schon, warum ich so selten in dieses Genre abdrifte. Das ist einfach nichts für meine schwachen Nerven.

Worum geht’s?

Tattletail lässt sich kurz und knapp mit „Furby goes to horrorwood“ zusammenfassen.

Noch fünfmal schlafen, dann ist es soweit, Weihnachten des Jahres 1998 seht vor der Tür. Welches Kind kennt sie nicht, die Vorfreude und das einem schier endlose erscheinende Warten auf den großen Moment, an dem all die Geschenke unter dem festlich geschmückten Baum liegen und endlich ausgepackt werden dürfen.

Vor allem wenn man sowieso schon weiß, was das Christkind einem bringen wird. Und auch den Ort im Keller kennt, an dem die Eltern die Pakete versteckt halten.

Und so schleicht man sich in der ersten Nacht des Spiels auf Zehenspitzen aus dem Kinderzimmer hinaus, den dunklen Flur entlang und die Treppe hinab. Ganz vorsichtig wickelt man das Geschenkpapier ab, öffnet die Verpackung und hält endlich „Tattletail“ in Händen, ein geschwätziges Stück Fell gefüllt mit Elektronik.

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Bewusst doppeldeutig ist der Name dieses Spielzeugs vom Entwickler gewählt. Denn im Verlauf der kommenden Nächte wird man mehr als einmal von dem Furby-Klon verpetzt werden.

Zunächst verläuft aber alles vollkommen harmlos. Einmal eingeschaltet plappert das pelzige Ding eifrig vor sich hin und man lernt so dessen drei Grundbedürfnisse kennen: Essen, Bürsten, Akku Laden. Kommt man einer dieser Aufgaben nicht rechtzeitig nach, so beginnt sich Tattletail lauthals mit blecherner Stimme zu beschweren. Das einzig wirklich befremdliche ist, dass das Spielzeug nach echtem Essen verlangt. Und so schleicht man sich mit der Puppe im Arm wieder zurück ins Erdgeschoss, füttert sie am Kühlschrank und kämmt im Anschluss daran ihr Fell. Dann ist es aber höchste Zeit alles wieder einzupacken. Nicht dass die Eltern doch noch wach werden. Also zurück in den Keller, rein mit Tattletail in seine Box und das Geschenkpapier wieder in Form gebracht. Und husch ab ins Bett.

In der darauffolgenden Nacht wird man von einem klopfenden Geräusch geweckt, das aus dem Keller zu kommen scheint. Wieder schleicht man durch das spärlich beleuchtete Haus, nur mit einer Taschenlampe ausgerüstet, die Stufen in die Dunkelheit hinab und entdeckt Tattletail auf der rumpelnden Waschmaschine sitzend. Wie auch immer es ihm gelungen sein mag, sich selbst aus der Verpackung zu befreien.

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Die Puppe lädt zum Spielen ein, man soll eine Vase für sie finden. Und dann geht von einer Sekunde auf die andere das Licht aus. Umgeben von rabenschwarzer Nacht wird man Zeuge des ersten Auftritts von Mama Tattletail. Es handelt sich dabei um das noch wesentlich größere Vorgängermodell, das nun Jagd auf seine „Kinder“ und deren Besitzer macht.

Hört sich nach absolutem Blödsinn an? Ist es in meinen Augen auch. Aber mein Gott ist das nervenaufreibend. Alles was man von Mama zunächst zu Gesicht bekommt, ist das blutrote Leuchten ihrer Augen in pechschwarzer Nacht. Kommt sie aber in die Nähe so hört man ihr unheimliches Krächzen und immer wieder den zuckersüßen Satz „Come to Mama!“, den man so schnell nicht wieder vergisst.

Auf keinen Fall darf man sich von ihr erwischen lassen. Ansonsten ist die Nacht gescheitert und man muss von neuem beginnen. Bis zum Schluss des Spiels habe ich mich nicht an das Bild von Mama gewöhnen können, wie sie sich mit feurigen Augen und weit aufgerissenem Maul wie aus dem Nichts kommend auf mich stürzt, um mich mit ihren spitzen Zähnen zu zerfleischen. Beim ersten Mal ist mir der Schreck bis tief in alle Glieder gefahren.

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Um ihren Fängen zu entgehen, ist es zwingend notwendig ein jegliches Geräusch zu vermeiden. Kein Klicken mit der Taschenlampe, die sich unglücklicherweise nur durch Schütteln aufladen lässt. Und bloß nicht losrennen, was viel zu viel Krach machen würde. Am besten man harrt an Ort und Stelle aus. Wenn da nicht der vor Angst bibbernde Tattletail wäre, den man die ganze Zeit über mit sich herumträgt. Und wehe einem, sollte man vergessen haben ihn zu füttern, zu bürsten oder aufzuladen. Denn beginnt das Spielzeug sich erst lauthals zu beschweren, so ist man ist unweigerlich verloren. Mutter wird einen finden und zerfetzen.

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Die vollständige Dunkelheit und die mit ihr verbundene Jagd dauert glücklicherweise immer nur eine kurze Zeit an. Beginnen die Lampen wieder zu flackern, so ist der Spuk zunächst vorüber, man ist gerettet und kann sich wieder um das Erledigen der Aufgaben widmen, die Tattletail einem stellt.

Fünf solcher Nächte gilt bis zum Anbruch des Weihnachtsmorgens zu überleben. Immer schwerer wird es Mama zu entkommen und mit jeder Nacht betritt auf unerklärliche Art und Weise eine weitere Tattletail-Puppe die Bühne. Die elektronischen Spielzeuge bereiten sich auf eine Art okkulter Zeremonie vor, mit dem Ziel ihre „Mutter“ ein für alle Mal zu bannen.

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Höhepunkt des Spiels ist dann die Durchführung dieses Rituals, bei dem es gilt, alle Tattletails und natürlich sich selbst ein letztes Mal vor den Angriffen Mamas zu beschützen.

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Fazit

Wie bereits geschrieben, das Ganze ist eigentlich hanebüchener Unsinn und könnte dennoch nicht nervenaufreibender sein. Was habe ich mich gefürchtet. Ein Furby kommt mir mit Sicherheit nicht ins Haus. Wer aber Horror-Spiele mag, der ist hier bestens aufgehoben.

Erst durch die Lektüre des Wikipedia-Artikels zu „Tattletail“ habe ich erfahren, dass es mir trotz fünf überstandener Nächte nicht gelungen ist, das gute Ende der Geschichte freizuspielen. Dazu hätte ich alle versteckten Spielzeugeier finden müssen, die von den spitzohrigen Wesen in Haus, Keller und Garten hinterlassen werden. Ich glaube nicht, dass ich allzu viele übersehen habe, aber noch einmal kehre ich sicher nicht an diesen unheimlichen Ort zurück.

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Vor allem da ich auch gleich im Anschluss an die Hauptgeschichte noch die Erweiterung namens „Kaleidoscope“ gespielt habe, in der die Geschichte rund um den verhexten Furby-Klon weitergesponnen wird. Endlich ist der ersehnte Weihnachtsmorgen gekommen, aber irgendetwas stimmt hier nicht. Denn meine Erinnerungen an die Ereignisse der vergangenen fünf Nächte wurden manipuliert. Es klingelt an der Tür. Der Postbote hat einen Brief für mich dagelassen, der eine geheimnisvolle Nachricht enthält.

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Um herauszufinden, was sich an Tagen vor Weihnachten des Jahres 1998 wirklich im Haus abgespielt hat, muss ich nun in ein tief unter dem Keller gelegenes Labyrinth hinabsteigen, an einen Ort, an dem Fiktion und Realität vollkommen durchmischt sind. 

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Geleitet von Nachrichten, die mir ein Unbekannter hinterlassen hat, dessen eigene Geschichte wohl weit unglücklicher verlaufen ist als die meinige.

Noch viele weitere Geheimnisse existieren, denen man im Spiel nachgehen kann. Wo sind zum Beispiel die Eltern, die man nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommt? Und was hat es mit dem Telefon auf sich, das eine jede Nacht just in dem Moment zu klingeln beginnt, in dem man sich wieder auf den Weg ins Bett begibt. Ich habe mich nicht getraut den Hörer abzuheben.

Trotz all der Mystik und Spannung besitzt „Tattletail“ dennoch einen kleinen Schwachpunkt. Die letzte Nacht vor Weihnachten zieht sich und nur allzu leicht scheitert man an den gestellten Aufgaben. Leider kommt der erste Speicherpunkt ein wenig spät, so dass man gezwungen ist, alles bis dahin bereits erledigte noch einmal zu spielen. Zu Beginn ist da noch Nervosität und Horror. Man schleicht sich vorsichtig aus dem Kinderzimmer in den dunklen Flur des Hauses, leuchtet mit der Taschenlampe nach links und nach rechts. Entdeckt zunächst die verschlossene Kellertür und dann den Hinterausgang zum Garten. Ich will nicht zu viel verraten, aber es vergeht eine gute Weile, bis Mama zum ersten Mal ernsthaft ihre Jagd aufnimmt. Wird man dann aber von ihr erwischt, so startet man erneut im Kinderzimmer. Immer und immer wieder. Irgendwann habe ich alle Schritte einfach nur noch mechanisch abgespult, in dem Wissen, dass mir bis zum Zeitpunkt X sowieso nichts passieren kann. In dem Moment, in dem man aber das Leveldesign verstanden hat, ist es natürlich vorbei mit dem Horror. Gottseidank ist mir dies nur ein einziges Mal und auch erst ganz am Schluss aufgefallen. Ansonsten hätte ich mich vermutlich deutlich weniger geängstigt.

„Tattletail“ kann ich auf alle Fälle empfehlen. Wer hätte gedacht, dass man aus einem harmlosen Furby ein solides Horror-Spiel machen kann.

Rituals

Eine tolle Funktion der Webseite howlongtobeat.com ist es, dass man seine gesamte Steam-Bibliothek einlesen lassen kann. So ist mir nun bewusst, dass sich Spiele mit einer Gesamtspielzeit von 228 Tagen und 13 Stunden in meinem Besitz befinden. Was aber viel wichtiger ist, ich kann endlich alle Titel nach ihrer Dauer sortieren. Denn für die richtig großen Klopper wie „Baldur’s Gate“ oder „STAR WARS: Knights of the Old Republic“ fehlt mir zurzeit einfach die Energie. Die kürzeren Titel müssen ran, am besten durchspielbar in maximal einer Stunde. Die erste Wahl fällt daher auf den Action-Arcade Titel „ROCKETSROCKETSROCKETS“ (21 Minuten). Nur dumm, dass dieser gleich nach dem Start sofort abstürzt. Ich muss also weitersuchen und probiere mein Glück mit „Air Forte“, einem „anspruchsvolle[n] Spiel über Mathematik, Vokabular und Geographie.“ Das Ergebnis ist leider nicht viel besser, nur kurz hüpft das Game-Icon im Dock und schon ist der Spaß auch wieder zu Ende. Ich überspringe ein paar Spiele, die ich bereits erfolgreich abgehakt habe und bleibe bei Rituals hängen. Das könnte mich interessieren. Installation fehlerfrei abgeschlossen, das Spiel startet und ich werde von dem Menü begrüßt. Na also, geht doch.

Worum geht es?

Die Handlung setzt spät abends in einem der zahlreichen Räume eines typischen Bürogebäudes ein. Die Uhr an der Wand zeigt bereits kurz nach zehn und man muss wohl am Schreibtisch eingenickt sein. Es ist höchste Zeit aufzubrechen, denn in Kürze wird der Reinigungsdienst seine Arbeit aufnehmen.

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Also Licht aus, und raus auf den Gang. Wie zu erwarten ist weit und breit keine Menschenseele mehr anzutreffen. Eigentlich müsste man sich nun schnurstracks zum Aufzug begeben, aber irgendwie lädt die verlassene Etage zur Erkundung ein. Im Schreibtisch eines Kollegen entdeckt man einen Schlüssel, mit dem man durch eine bis dahin verschlossene Glastür ein Stockwerk nach oben gelangt. Dort fällt der Blick auf einen Türkartenscanner. Äußerst seltsam, denn im gesamten Büro werden ansonsten keine Ausweiskarten benötigt.

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Ein Whiteboard und eine auf einem Tisch liegende, ausgedruckte E-Mail geben weitere Rätsel auf.

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Aber es ist einfach zu spät, sich heute noch den Kopf drüber zu zerbrechen. Morgen ist auch noch ein Tag. Jetzt muss man wirklich nach Hause. Also zurück zum Aufzug und den Knopf nach unten drücken. Es rumpelt, das Licht beginnt zu flackern. Wieder ein starker Ruck, Stromausfall. Man stürzt! Als man wieder zu Bewusstsein kommt und sich die Fahrstuhltür vor einem öffnet, befindet man sich wo auch immer, aber sicher nicht mehr in dem Gebäude. Oder doch? Vorsichtig tritt man in eine nächtliche Waldlandschaft hinaus, einzig erleuchtet durch den am Himmel stehenden Vollmond. Gegenüber dem Aufzug befindet sich eine Art Tempel, auf den man sich nun zubewegt…

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Fazit

Bei „Rituals“ handelt es sich um ein Erkundungsspiel in der Egoperspektive. Ziel ist es herauszufinden, was es mit dem vermeintlichen Büroturm in Wirklichkeit auf sich hat. Oder wie es der Entwickler Tymon Zgainski etwas philosophischer ausdrückt, ein „Spiel über die Beziehung von Zivilisation und Natur.“

Durch zahlreiche surreale Landschaften und Orte führt die Reise dabei. In jedem Abschnitt gilt es ein Rätsel zu lösen, das einen zunächst am Weiterkommen hindert. In einer Art Dschungel hat man zum Beispiel schnell ein Kanu und das zugehörige Paddel entdeckt. Wie aber kommt man nun an dem Krokodil vorbei, das am Flussufer ruht? Man sieht sich um, sammelt Gegenstände ein und muss diese an passender Stelle zum Einsatz bringen. Allzu schwer sind die zu bewältigenden Aufgaben nicht, und auch das Inventar bleibt stets übersichtlich. Ein jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen und dennoch Teil eines durchgängigen Handlungsstrangs.

Die Pfade, auf denen man sich in der Spielwelt bewegt, sind durch eingeblendete Pfeile vorgegeben. Ein wenig spielt sich das Ganze wie das Navigieren durch Google Maps‘ Street View. Was aber nicht weiter stört. Einzig die Blickrichtung entlang der x- und y-Achse musste ich sofort in den Settings umstellen. Die Maus nach rechts zu bewegen, um nach links blicken zu können, treibt mich persönlich in den Wahnsinn.

Am Ende des Abenteuers gelangt man dann wieder zurück in die Tiefen des Bürogebäudes und wird vor eine alles entscheidende Wahl gestellt. Zwei mögliche Enden besitzt „Rituals“, die man beide Gottseidank ausprobieren kann, ohne das gesamte Spiel von neuem beginnen zu müssen.

Dass die Handlung in den Augen des einen oder anderen Spielers ein wenig an den Haaren herbeigezogen sein mag, kann ich gut ausblenden. Viel wichtiger ist mir die Stimmung, die „Rituals“ erzeugt. Und diese ist ganz fantastisch. Gerade das Erforschen des leerstehenden Gebäudes oder die Erkundung der industriell anmutenden Orte hat mir oft eine richtige Gänsehaut bereitet. Und so viel sei verraten, ganz allein ist man nicht.

Wer also Spiele wie „Myst“ mag, der wird auch an „Rituals“ seine wahre Freude finden. Gerne empfehle ich den Titel weiter.

Windosill

Dank Twitter ist mir wieder bewußt geworden, wie weit ich dem Mainstream hinterherhinke. Während sich die dortige Gamer-Elite rege über einen mir absolut unbekannten Blockbuster namens „Sekiro“ austauscht, verkünde ich stolz den Erfolg, Windosill durchgespielt zu haben. Eine Suche nach dem passenden Hashtag macht mir klar, dass ich genau 10 Jahre zu spät zur Party erschienen bin.

Das im Mai des Jahres 2009 erschienene kleine aber feines Puzzlespiel des Entwicklers Vectorpark erinnert mich stark an die Samorost-Serie aus dem Hause Amanita Design. Auch hier steht spielerisches Erkunden im Mittelpunk. Screen für Screen klickt man zunächst neugierig auf allerlei Gegenstände, um deren Reaktion zu erforschen. Manche davon sind pure Zierde, andere wiederum haben Anteil an der Lösung des jeweiligen Rätsels.

Bei „Windosill“ gilt es, ein kleines Spielzeugauto durch fantastisch gestaltete Zimmer zu bewegen. Die Tür zur angrenzenden Kammer ist zunächst verschlossen und kann nur mit Hilfe eines Schlüssels in Form eines kleinen Würfels geöffnet werden. Diesen Kubus den Objekten im Raum zu entlocken, ist die Aufgabe des Spielers.

Ein Video sagt oft mehr als viele Worte…

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„Windosill“ ist kein langes Spiel. Gerade mal zehn dieser liebevoll gestalteten Zimmer gilt es zu erkunden. Mit ein wenig Erfahrung hat man in rund einer halben Stunde alle gelöst.

Hier eine Auswahl des Abwechslungsreichtums…

Fazit

„Windosill“ ist ein Kleinod, das vollkommen an mir vorbei gegangen ist. Dank Humble Bundle hatte ich aber nun die Gelegenheit dieses Versäumnis nachzuholen. Wäre ich nicht schon im Besitz eines Steam-Keys gewesen, so hätte ich aber lieber die iOS-Version gespielt. Alle älteren Flash-basierten Spiele sind einfach nicht mehr für die 27“ meines iMacs optimiert und laufen im Vollbildmodus nur mit einem dicken schwarzen Balken rundherum. Aber ich bin dennoch sehr glücklich darüber, „Windosill“ jetzt doch noch gespielt zu haben. Wenn auch zehn Jahre zu spät.

Refunct

„Spiele abbauen! Spiele abbauen! Spiele abbauen…“

Aber wie stelle ich das nur an? Kann ich irgendwie herausfinden, welche meiner Steam-Titel schnell durchgespielt sind? Ah, es gibt im Store Tags nach denen ich filtern kann. Und siehe da, einer davon lautet sogar „kurz“. Das ist genau wonach ich gesucht habe. Warum ich darauf nicht schon viel früher gekommen bin, ist mir ein Rätsel.

Nach Durchsicht der Liste, etliche Spaßvögel haben „Portal“ markiert, und einem Abgleich mit der Seite howlongtobeat.com, fällt meine Wahl auf Refunct. Rund 34 Minuten muss man angeblich für das Erreichen des Status „Completionist“ investieren. Soviel Zeit habe ich.

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„Refunct“ spielt in einer surrealen Welt. Aus dem Wasser fährt man auf einer Säule stehend nach oben. Alle Plattformen um einen herum sind reiner Beton, nur die auf der man steht ist mit Gras überwachsen. Ein Sprung auf die nächsthöhere Ebene und schon beginnt auch dort der Rasen zu sprießen.

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Noch ein Sprung und noch einer. Und immer färbt sich der Boden unter einem in ein sattes Grün. Vom obersten Punkt der Säulenkonstruktion ragt ein roter Lichtstrahl in den Himmel. Diesen Ort gilt es wohl zu erreichen. Oben angekommen findet man eine Art Knopf, der groß genug ist, dass man auf ihn treten kann.

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Ein Mechanismus wird in Gang gesetzt und wie von Zauberhand wachsen neue Betonsäulen aus dem Meer. Ziel ist auch dort wieder, denjenigen Pfeiler zu erklimmen, von dem aus die rote Lichtsäule senkrecht nach oben ragt.

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Damit ist auch schon das ganze Spielprinzip von „Refunct“ beschrieben. Ein Plattformer, bei dem es gilt, sich einen Weg durch eine unwirkliche Welt zu bahnen und diese, Sprung für Sprung, wiederzubeleben.

Mit jedem Knopfdruck lässt man mehr und mehr Säulen aus dem Meer wachsen, entdeckt geheimnisvolle Artefakte, Röhren, Lifte und Sprungfelder, die einen hoch hinauskatapultieren. Auch tief hinab in das einen umgebende Nass wird der Weg führen.

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„Refunct“ ist wirklich kein langes Spiel. Insgesamt 57 Minuten habe ich dafür gebraucht, alle Säulen aus dem Meer sprießen zu lassen und den finalen, goldenen Knopf zu erreichen. Inklusive einer hundertprozentigen Erkundung der Spielwelt.

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Fazit

Das ist genau die Art von Spiel, die ich gesucht hatte. Herausfordernd aber nicht allzu schwer, geheimnisvoll und vor allem wunderschön anzusehen. Mir gefallen solch unwirkliche Welten. Und erstaunlicherweise sogar mit Apples Magic Trackpad anstelle einer Maus sehr gut spielbar.

Somit habe ich einen weiteren Titel meiner Sammlung erfolgreich abhaken können. Der Entwickler Dominique Grieshofer hat mit „Refunct“ ein wirklich tolles Werk geschaffen, das ich sehr gerne weiterempfehle. Der Dank gebührt ganz ihm.

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Streets of Rage

Hach, schön wenn man so leicht beeinflussbar ist. Noch bevor die letzte Folge meines Lieblingspodcasts zu alten Computerspielen zu Ende gehört ist, suche ich bereits nach einer Möglichkeit den SEGA-Klassiker Streets of Rage zu spielen. Gestern wusste ich noch nicht einmal, dass das Beat ’em up überhaupt existiert und heute könnte mich nichts brennender interessieren. Einem den Mund wässrig zu reden, das verstehen die Herren Schmidt und Käufer ganz ausgezeichnet. Wer mehr über „Streets of Rage“ und seine Entstehungsgeschichte erfahren möchte, dem sei „Super Stay Forever“ Episode 17 wärmsten empfohlen.

Bei den „Straßen des Zorns“ handelt es sich um ein Szene für Szene seitwärts scrollendes Prügelspiel aus dem Jahre 1992, bei dem es gilt, innerhalb eines Zeitlimits einen jeden Abschaum niederzuknüppeln, der es wagt, sich einem in den Weg zu stellen. Untermalt von klasse Musik und dem Kreischen der Gegner, das ertönt sobald deren Lebensbalken auf null gesunken ist.

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Die Hintergrundgeschichte zu „Streets of Rage“ ist schnell erzählt. Eine einst blühende und friedliche Großstadt ist in die Hände einer Verbrecherorganisation gefallen, die sowohl die Regierung als auch die Polizeikräfte unterwandert hat. Eine Gruppe junger, nicht unterzukriegender Polizisten hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Stadt ein für alle Mal von dem sie bevölkernden Schmutz zu säubern.

Zur Auswahl stehen drei Kämpfer, Adam, Axel und Blaze. Während der blonde Jüngling mit dem blauen Stirnband für den Typ agiler Karatekämpfer steht, bewegt sich Adam als Boxer zwar langsamer, weiß dafür aber mit größerer Wucht zuzuschlagen. Letztendlich hatte ich aber nicht das Gefühl, dass es einen großen Unterschied macht, für welchen der beiden man sich entscheidet. Zu der einzigen Frau im Trio kann ich leider nichts sagen, da ich mich nur mit Adam und Axel durch die heruntergekommenen Gassen und Hinterhöfe gekämpft habe. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Blaze alle Klischees erfüllend, schnell dafür aber leicht verwundbar ist. Ein kurzer Blick auf Wikipedia bestätigt meine Vermutung: „Blaze is a female police officer who lacks high attack power, but has superior speed and jumping abilities to make up for it.“

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Über insgesamt acht Level kämpft man sich von der Straße durch Parks und Lagerhäuser bis in das Penthaus eines Wolkenkratzers, wo man in einem Showdown dem Kopf der Verbrecherorganisation, Mr. X, gegenübertreten muss. Dessen Vorschlag, seine neue rechte Hand zu werden, habe ich dankenswerterweise abgelehnt.

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Zwar ist das Arsenal an Gegnern beschränkt, so dass man immer wieder auf die gleichen Typen trifft, dafür aber recht originell. Punks, feuerspuckende Fettsäcke, peitschendschwingende Dominas, der Fantasie sind wahrlich keine Grenzen gesetzt.

Am Ende eine jeden Levels wartet traditionell der jeweilige Boss-Kampf. Auch hier ist einiges geboten. Von Antonio wird man mit Bumerangs beworfen, Zamza, der stark an Street Fighters Blanka erinnert, fällt mit seinen Klauen über einen her und die Zwillingsschwestern Mona und Lisa schlagen wie wild ein Rad nach dem anderen.

Ohne groß zu recherchieren habe ich mit dem iOS-Port gleich die erste Version von „Streets of Rage“ installiert, die mir in die Hände gefallen ist. Auf die Frage, ob das Ganze auf dem iPhone gut spielbar ist, muss ich mit einem klaren Jein antworten.

Erst vor kurzem hatte ich einen kläglich gescheiterten Versuch unternommen, Altered Beast ebenfalls auf meinem Mobiltelefon in Angriff zu nehmen. Allzu groß waren meine Erwartungen an die „Streets of Rage“-Portierung folglich nicht. Eine Gamepad-Steuerung 1:1 auf einen Touchscreen zu übertragen geht meistens in die Hose. Auch diese Prügelei stellt keine Ausnahme dar, ihr kommt aber die Limitierung auf ein Steuerkreuz und gerade mal drei Buttons zu gute. Springen musste ich so gut wie nie und so konnte ich die anstürmende Gegnerschar alleinig mit dem B-Knopf in ihre Schranken weisen.

Erste Amtshandlung war es übrigens für rund zwei Euro sofort sämtliche Werbung aus dem Spiel zu entfernen. Ob man bis zum Ende mit all den Werbeblöcken durchhält, wage ich zu bezweifeln. Das man sich dennoch für zusätzliche Continues und die Unterstützung durch Polizeikollegen Werbeclips ansehen kann, war aber mehr Glück als notwendiges Übel.

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Gerade bei besonders schwierigen Boss-Kämpfen oder einer deutlichen Überzahl an Schlägern war der Raketenwerfer der Polizei, den man herzurufen kann, eine willkommene Hilfe. Im letzten Level muss man aber auf diesen Beistand gänzlich verzichten, was vor allem die letzte Auseinandersetzung kurz vor der Tür zu Mr. X zu einer wahren Qual für mich hat werden lassen. Denn Mona und Lisa sind zurück und mit all ihren akrobatischen Turnübungen nur sehr schwer zu treffen. Es hat mich eine gefühlte Ewigkeit und unzählige Continues gekostet, diesen Kampf zu meinen Gunsten zu beenden.

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Die drei zur Verfügung stehenden Speicherslots sind für „Streets of Rage“ mehr als ausreichend. Was mich aber ein wenig gestört hat ist, dass ein Spielstand sofort mit der Kennzeichnung „Cheat“ markiert wird, sobald man sich für eine der zusätzlichen Belohnungen entschieden hat. Natürlich habe ich das Spiel nicht mit dem regulär zur Verfügung stehenden Satz an Versuchen durchgespielt, aber muss man dies gleich als Betrug ausweisen? Vor allem wenn das Hinzubuchen von Extraleben als offensichtliche Hilfe in das Spiel integriert ist.

Das Feature, die Zeit im Spiel kurz zurückdrehen zu können, um so eine schwierige Passage erneut in Angriff zu nehmen, ist in meinen Augen absolut nutzlos. Der Vollständigkeit halber sei es hier aber noch erwähnt.

Fazit

Spaß gemacht hat es mir auf alle Fälle. Manchmal muss es einfach ein absolut hirnloses Spiel ohne Tiefgang sein, das alle Klischees der späten 80er Jahre erfüllt. Eigentlich müsste man „Streets of Rage“ zu zweit im Coop-Modus spielen. Am besten vor einem Röhrenfernseher auf der Original-Hardware. Denn für solch eine Spielerfahrung ist der Titel ganz klar ausgelegt. Nur bin ich hierfür leider fast 30 Jahre zu spät.

Die iOS-Version kann ich nur mit Einschränkungen empfehlen. Zum Hineinschnuppern in die Serie ist sie auf alle Fälle geeignet, aber für ein ernsthafteres Spiel kommt man um den Einsatz eines Controllers nicht herum.

Den zweiten Teil habe ich aber schon installiert und kann nach einem kurzen Anspielen schon jetzt sagen, dass es nur noch besser wird. Aber hierzu mehr, wenn ich es mir auch in „Streets of Rage II“ gelungen ist, mich bis zum Abspann durchzukloppen.

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Little Inferno

100!

Es ist endlich soweit, ich schreibe an meinem einhundertsten Post. Als am 15.September 2016 mein erstes Review zu Human Resource Machine online ging, hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung, wohin meine Reise mich führen würde. Und jetzt, gut zweieinhalb Jahre später, habe ich schon wieder vergessen, warum ich eigentlich losgezogen bin.

Was ich aber sicher weiß ist, dass mein Weg noch lange nicht zu Ende sein wird. Erst kürzlich habe ich all meine via Humble Bundle erworbenen Steam-Keys aktiviert und so allein meine Mac-Bibliothek auf über 400 Spiele aufgebläht. Hinzu kommen GOG und diverse Konsolentitel, die allesamt auf ihr Durchspielen warten.

Ein kurzes Resümee

Ein Resümee zu ziehen fällt mir schwerer als gedacht. Um überhaupt Zeit für das Projekt „playingeversince“ zu finden, musste ich irgendwo Abstriche machen, was für mich letztendlich ein Ende meiner World of Warcraft-„Karriere“ bedeutet hat. Auch wenn ich als treuer Blizzard-Fanboy das letzte Add-on noch installiert habe, so war ich sicher schon ein gutes halbes Jahr nicht mehr zu Besuch in Azeroth. All das Questen, Raiden und Sammeln von Erfolgen, aber auch die sich endlos wiederholenden Aufgaben, gehören inzwischen der Vergangenheit an. Noch fehlt mir aber der Mut, auch den letzten logischen Schritt zu gehen und meinen Account gänzlich ruhen zu lassen.

Dafür wurde ich aber mit einem Reichtum an Spielen belohnt, den ich mir so nie zu erträumen gewagt hätte. Große Spieleklassiker wie Planescape: Torment, Half-Life oder Grim Fandango musste ich schlicht nachholen. Aber es sind vor allem die vielen kleinen Indie-Titel, die mein Spielerleben maßgeblich bereichert haben. Gerne denke an all die Stunden zurück, in denen ich mich durch die kleinen Kunstwerke aus dem Hause „hamster on coke“ gepuzzelt habe, an meinen für lange Zeit gültigen Giana Sisters Highscore, oder aber an die Teilnahme am Beta-Test für „The Hex“, dem neuesten Werk des in meinen Augen genialen Schöpfers von Pony Island.

Es ist erstaunlich, dass ich bei der Auswahl all dieser Spiele nicht ein einziges Mal danebengegriffen habe. Das Geheimnis liegt meiner Meinung darin, dass ich mich auf jeden Titel voll und ganz eingelassen habe. Anlaufschwierigkeiten hin oder her. Denn erklärtes Ziel war und ist es, ein einmal begonnenes Spiel auch erfolgreich abzuschließen. Kein Durchspielen, kein Blogpost. Und so habe ich an jedem Titel etwas Gutes gefunden und ein jeder ist mir auf seine ganz eigene Art ans Herz gewachsen.

Natürlich blicke ich auch auf den Berg an Spielen, der da noch vor mir liegt. Und oft fällt es mir schwer, bei all der Fülle, den nächsten Titel auszuwählen. So viel würde ich am liebsten gleich jetzt beginnen, und doch muss mich in Geduld üben. Auch wenn ich nicht alles werde spielen können, so bin ich doch zuversichtlicher geworden, zumindest den Kern meines Archivs im Verlauf der kommenden Jahre wirklich abschließen zu können.

Das Schreiben selbst ist zwar oft Schwerstarbeit, Form und Länge meiner Posts variieren stark und oft beschleicht mich as Gefühl, den Kern eines Spiels nicht hundertprozentig getroffen zu haben. Dennoch hoffe ich, dass es mir zumindest halbwegs gelungen ist, für einen jeden Titel ein passendes und freundlich gesinntes Review zu verfassen. Die Freude an der Sache habe ich auf alle Fälle noch nicht verloren und ich bin glücklich über einen jeden Seitenaufruf und hinterlassenen Kommentar. Danke.

Little Inferno

Über den Inhalt meines Jubiläumsposts habe ich eine gute Weile mit mir gehadert. Kurz hatte ich mich mit dem Gedanken getragen, eines der klassischen AD&D Rollenspiele anzugehen, wie „Pool of Radiance“ oder „Champions of Krynn“. Mit allem was dazu gehört, also auch dem Lesen der Quellenbücher. Und dann ähnlich „Planescape: Torment“ einen langen und episodischen Eintrag zu verfassen. Das hätte aber eine gute Weile gedauert.

Gänzlich unverhofft kam die Rettung in Form von Little Inferno, eine der vielen Steam-Lizenzen, die bis dato ungenutzt herumgelegen sind. Das Tolle daran ist, dass es sich ebenso wie „Human Resource Machine“ (Blogpost #1) um ein Spiel aus dem Hause Tomorrow Corporation handelt. Der Kreis schließt sich also.

Und was für ein großartiges Werk „Little Inferno“ ist. Schon lange habe ich kein Spiel mehr von Anfang bis Ende in einem Rutsch durchgespielt, um nach rund sechs Stunden Spielzeit zwar hundemüde aber innerlich vollkommen aufgewühlt in mein Bett zu fallen.

„Little Inferno“ ist ein Spiel über das Verbrennen von Gegenständen. Ganz ohne Zeitdruck oder Highscore. Alles was man tun muss ist, Dinge in einen Kamin zu werfen und anzuzünden.

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Ich frage mich, wie man nur auf die Idee für solch ein Spiel kommt. Wo fängt man da an? Erinnert man sich daran, wie man in langen Wintermonaten auf das in einem offenen Kamin lodernde Feuer blickt? Wie man Holzscheit für Holzscheit nachleget und den Klötzen beim Abbrennen zusieht? Wie manche Menschen gar solch ein Ofenfeuer von DVD auf ihrem Fernseher abspielen? Und wie gelingt dann der gedankliche Brückenschlag von dem beruhigenden Flackern hin zu einer bitterbösen Konsum- und Zivilisationskritik?

Ein jeder Gegenstand, den man verfeuert, kann über einen der zahlreichen Kataloge der im Spiel fiktiven Tomorrow Corporation bestellt werden. Darunter zunächst ein Wecker, ein schlafender Götze, ein Nest voller Spinneneier oder aber ein Fernsehgerät.

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Mit jedem Katalog, den man im Spielverlauf freischaltet, kommen weitere, mitunter recht bizarre Dinge hinzu. So zum Beispiel eine „Alte Frau Puppe“, eine Fliegerbombe oder eine Klonfabrik in Miniaturform. Die Katalognamen reichen dabei von „Kaminanzünder“ über „EGO-Shopper“ bis hin zu „Existenz, JETZT“.

Das Besondere sind zum einen die Beschreibungen, die für einen jeden Gegenstand auf den Katalogseiten angezeigt werden. So steht bei der Oma Puppe als Begleittext „Vielleicht stirbt sie.“, oder aber bei einem Mini-Pluto „Greife zu bevor er wieder ein Planet wird! Billig!“.

Zum anderen ist es das Verhalten der Dinge im Kaminfeuer. Planeten beginnen zu schweben und ziehen weitere Gegenstände in ihre Umlaufbahn, eine Antki Fackel spuckt wie wild Feuer und im Inneren des Partybusses bricht Panik aus. Es ist eine wahre Freude ihnen dabei zuzusehen, wie sie in Rauch aufgehen.

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Einmal verbrannt bringt ein jeder Gegenstand Geld in Form von Münzen ein, mit denen man weitere Gegenstände kaufen und sich liefern lassen kann. Und so sitzt man vor dem häuslichen Kamin, dem „Little Inferno Entertainment Fireplace“, und verfeuert ein Ding nach dem anderen, um immer weitere Einträge in den Katalogen freizuschalten. Zunächst reicht dies vollkommen aus, um einen Fortschritt im Spiel zu erzielen. Man gibt Geld für Dinge aus, die man verbrennt, was mehr Geld einbringt, als man ausgegeben hat, was man wiederum für weitere Gegenstände ausgibt. Und so ist man gefangen in einer nie abreißen wollende Konsumspirale.

Hin und wieder krabbeln kleine Spinnentiere durch den Kamin, die man mit einem Mausklick ebenfalls ins Feuer befördern kann, und die so weitere Münzen einbringen. Gerettet wir nichts und niemand.

Neben all den bestellten Gegenständen bring der Postbote in regelmäßigen Abständen auch Briefe. Zum einen von der Matriarchin der Tomorrow Corporation, Miss Nancy genannt, die einen in dem eigenen Konsumverhalten bestätigt. Alles richtig so, mach weiter! So viele tolle Dinge, die man verbrennen kann!

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Auch flattern hin und wieder „wichtige“ Wettermeldungen ins Haus, die einen nur weiter bestärken sollen. Draußen ist es kalt und ein Ende des Winters ist nicht abzusehen. Also immer weiter fleißig den Kamin beheizen.

Doch dann kommt völlig unerwartet ein Brief von einer Nachbarin, die ihrerseits eine Feuerstelle der Tomorrow Corporation besitzt. Wie vermutlich ein jeder Stadtbewohner. Man beginnt Gegenstände per Brief zu tauschen und es entwickelt sich tatsächlich so etwas wie eine Beziehung. Bis es plötzlich zu einer großen Katastrophe kommt. Verraten wird an dieser Stelle aber wie immer nichts.

Zurück zu den Katalogen. Nach einiger Spielzeit gelangt man an einen Punkt, an dem das reine Verbrennen einzelner Gegenstände nicht mehr ausreichend ist, um weitere Einkaufsmöglichkeiten freizuschalten. Ab sofort gilt es Dinge in Kombination miteinander zu verfeuern. Die Hinweise hierzu sind als Rätsel gehalten. Mal einfach wie „Fahrrad Piraten KOMBO“, zu deren Auflösung man genau diese beiden Objekte ins Feuer werfen muss. Oder aber in verschlüsselter Form. Was zum Beispiel gehört zu einer „Zugedröhnte Midlifecrisis KOMBO“ oder aber zu einer „Gerichtskosten KOMBO“? Insgesamt 99 solcher Puzzles beinhaltet „Little Inferno“, für das Durchspielen ist aber eine deutlich kleinere Teilmenge ausreichend.

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Mit dem Lösen einer jeden Kombination erhält man neben Geld auch Briefmarken, mit denen man den Lieferprozess der Postpakete beschleunigen kann. Dies ist oft sehr hilfreich, da gerade die Gegenstände der fortgeschrittenen Kataloge eine Auslieferungszeit von mehreren Minuten besitzen. Ohne den Einsatz von Marken ist man gezwungen, abzuwarten und Tee zu trinken.

Sind endlich alle Kataloge freigeschaltet und ein jeder Gegenstand mindestens einmal verbrannt, so kommt noch einmal Bewegung in die Geschichte von „Little Inferno“. Anstelle eines Abspanns nimmt das Spiel eine vollkommen unerwartete Wendung und ist wider Erwarten noch lange nicht zu Ende. Soviel sei verraten, man wird seinen Platz vor dem Kamin verlassen, zum ersten Mal seit langem vor die Haustür treten und beginnen, die fast vergessene Welt um einen herum zu erkunden.

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Bis ihn die Zentrale der Tomorrow Corporation führt der Weg, bis man letztendlich Miss Nancy höchstpersönlich gegenübersteht. Und eine Entscheidung treffen muss, nach der es jedoch kein Zurück mehr gibt.

Fazit

„Little Inferno“ ist wie alle Spiele der Tomorrow Corporation etwas ganz Besonderes. Allein die Idee zu diesem Titel ist einzigartig. Eine absolute Empfehlung und all die äußerst positiven Reviews im Steam-Store sprechen für sich selbst.

Noch ein Gedanke zum Schluss. Da man den Protagonisten des Spiels ganz lange nicht zu Gesicht bekommt, und aus dessen Perspektive Gegenstände in den Kamin wirft, spielt man letztendlich sich selbst. Es macht keinen Unterschied, ob man nun einen Charakter übernimmt, der wie gebannt Dinge verfeuert, oder ob man selbst stundenlang wie ich vor dem Feuer sitzt und es kaum erwarten kann, Nachschub zu bestellen. Dieses Spiel mit den Ebenen ist eine der großen Stärken von „Little Inferno“. Als der Hauptcharakter des Spiels dann endlich seinen Platz verlässt und beginnt, über sein bisheriges Leben nachzudenken, so kommt man auch als Spieler ins Grübeln. Was sind all die Gegenstände um einen herum wirklich wert, von denen man glaubt, dass sie einen glücklich machen? Ist man denn nicht auch ein Gefangener der Konsumgesellschaft? Hat man dies überhaupt noch unter Kontrolle? Oder kauft man willenlos alles ein, was einem in Katalogen (Internet, Zeitschriften, Werbung…) angeboten wird. Was davon ist so kurzlebig, dass es in kürzester Zeit überholt ist? Was könnte man auch jetzt schon bedenkenlos ins Feuer werfen…

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P.S. Der Soundtrack zu „Little Inferno“ ist wie der zu „Human Resource Machine“ erneut aus der Feder von Kyle Gabler. Wer möchte kann entweder auf Soundcloud in die tolle Musik des Spiels reinhören oder sie gleich auf der Webseite des Entwicklerstudios kostenlos herunterladen.