100!
Es ist endlich soweit, ich schreibe an meinem einhundertsten Post. Als am 15.September 2016 mein erstes Review zu Human Resource Machine online ging, hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung, wohin meine Reise mich führen würde. Und jetzt, gut zweieinhalb Jahre später, habe ich schon wieder vergessen, warum ich eigentlich losgezogen bin.
Was ich aber sicher weiß ist, dass mein Weg noch lange nicht zu Ende sein wird. Erst kürzlich habe ich all meine via Humble Bundle erworbenen Steam-Keys aktiviert und so allein meine Mac-Bibliothek auf über 400 Spiele aufgebläht. Hinzu kommen GOG und diverse Konsolentitel, die allesamt auf ihr Durchspielen warten.
Ein kurzes Resümee
Ein Resümee zu ziehen fällt mir schwerer als gedacht. Um überhaupt Zeit für das Projekt „playingeversince“ zu finden, musste ich irgendwo Abstriche machen, was für mich letztendlich ein Ende meiner World of Warcraft-„Karriere“ bedeutet hat. Auch wenn ich als treuer Blizzard-Fanboy das letzte Add-on noch installiert habe, so war ich sicher schon ein gutes halbes Jahr nicht mehr zu Besuch in Azeroth. All das Questen, Raiden und Sammeln von Erfolgen, aber auch die sich endlos wiederholenden Aufgaben, gehören inzwischen der Vergangenheit an. Noch fehlt mir aber der Mut, auch den letzten logischen Schritt zu gehen und meinen Account gänzlich ruhen zu lassen.
Dafür wurde ich aber mit einem Reichtum an Spielen belohnt, den ich mir so nie zu erträumen gewagt hätte. Große Spieleklassiker wie Planescape: Torment, Half-Life oder Grim Fandango musste ich schlicht nachholen. Aber es sind vor allem die vielen kleinen Indie-Titel, die mein Spielerleben maßgeblich bereichert haben. Gerne denke an all die Stunden zurück, in denen ich mich durch die kleinen Kunstwerke aus dem Hause „hamster on coke“ gepuzzelt habe, an meinen für lange Zeit gültigen Giana Sisters Highscore, oder aber an die Teilnahme am Beta-Test für „The Hex“, dem neuesten Werk des in meinen Augen genialen Schöpfers von Pony Island.
Es ist erstaunlich, dass ich bei der Auswahl all dieser Spiele nicht ein einziges Mal danebengegriffen habe. Das Geheimnis liegt meiner Meinung darin, dass ich mich auf jeden Titel voll und ganz eingelassen habe. Anlaufschwierigkeiten hin oder her. Denn erklärtes Ziel war und ist es, ein einmal begonnenes Spiel auch erfolgreich abzuschließen. Kein Durchspielen, kein Blogpost. Und so habe ich an jedem Titel etwas Gutes gefunden und ein jeder ist mir auf seine ganz eigene Art ans Herz gewachsen.
Natürlich blicke ich auch auf den Berg an Spielen, der da noch vor mir liegt. Und oft fällt es mir schwer, bei all der Fülle, den nächsten Titel auszuwählen. So viel würde ich am liebsten gleich jetzt beginnen, und doch muss mich in Geduld üben. Auch wenn ich nicht alles werde spielen können, so bin ich doch zuversichtlicher geworden, zumindest den Kern meines Archivs im Verlauf der kommenden Jahre wirklich abschließen zu können.
Das Schreiben selbst ist zwar oft Schwerstarbeit, Form und Länge meiner Posts variieren stark und oft beschleicht mich as Gefühl, den Kern eines Spiels nicht hundertprozentig getroffen zu haben. Dennoch hoffe ich, dass es mir zumindest halbwegs gelungen ist, für einen jeden Titel ein passendes und freundlich gesinntes Review zu verfassen. Die Freude an der Sache habe ich auf alle Fälle noch nicht verloren und ich bin glücklich über einen jeden Seitenaufruf und hinterlassenen Kommentar. Danke.
Little Inferno
Über den Inhalt meines Jubiläumsposts habe ich eine gute Weile mit mir gehadert. Kurz hatte ich mich mit dem Gedanken getragen, eines der klassischen AD&D Rollenspiele anzugehen, wie „Pool of Radiance“ oder „Champions of Krynn“. Mit allem was dazu gehört, also auch dem Lesen der Quellenbücher. Und dann ähnlich „Planescape: Torment“ einen langen und episodischen Eintrag zu verfassen. Das hätte aber eine gute Weile gedauert.
Gänzlich unverhofft kam die Rettung in Form von Little Inferno, eine der vielen Steam-Lizenzen, die bis dato ungenutzt herumgelegen sind. Das Tolle daran ist, dass es sich ebenso wie „Human Resource Machine“ (Blogpost #1) um ein Spiel aus dem Hause Tomorrow Corporation handelt. Der Kreis schließt sich also.
Und was für ein großartiges Werk „Little Inferno“ ist. Schon lange habe ich kein Spiel mehr von Anfang bis Ende in einem Rutsch durchgespielt, um nach rund sechs Stunden Spielzeit zwar hundemüde aber innerlich vollkommen aufgewühlt in mein Bett zu fallen.
„Little Inferno“ ist ein Spiel über das Verbrennen von Gegenständen. Ganz ohne Zeitdruck oder Highscore. Alles was man tun muss ist, Dinge in einen Kamin zu werfen und anzuzünden.

Ich frage mich, wie man nur auf die Idee für solch ein Spiel kommt. Wo fängt man da an? Erinnert man sich daran, wie man in langen Wintermonaten auf das in einem offenen Kamin lodernde Feuer blickt? Wie man Holzscheit für Holzscheit nachleget und den Klötzen beim Abbrennen zusieht? Wie manche Menschen gar solch ein Ofenfeuer von DVD auf ihrem Fernseher abspielen? Und wie gelingt dann der gedankliche Brückenschlag von dem beruhigenden Flackern hin zu einer bitterbösen Konsum- und Zivilisationskritik?
Ein jeder Gegenstand, den man verfeuert, kann über einen der zahlreichen Kataloge der im Spiel fiktiven Tomorrow Corporation bestellt werden. Darunter zunächst ein Wecker, ein schlafender Götze, ein Nest voller Spinneneier oder aber ein Fernsehgerät.

Mit jedem Katalog, den man im Spielverlauf freischaltet, kommen weitere, mitunter recht bizarre Dinge hinzu. So zum Beispiel eine „Alte Frau Puppe“, eine Fliegerbombe oder eine Klonfabrik in Miniaturform. Die Katalognamen reichen dabei von „Kaminanzünder“ über „EGO-Shopper“ bis hin zu „Existenz, JETZT“.
Das Besondere sind zum einen die Beschreibungen, die für einen jeden Gegenstand auf den Katalogseiten angezeigt werden. So steht bei der Oma Puppe als Begleittext „Vielleicht stirbt sie.“, oder aber bei einem Mini-Pluto „Greife zu bevor er wieder ein Planet wird! Billig!“.
Zum anderen ist es das Verhalten der Dinge im Kaminfeuer. Planeten beginnen zu schweben und ziehen weitere Gegenstände in ihre Umlaufbahn, eine Antki Fackel spuckt wie wild Feuer und im Inneren des Partybusses bricht Panik aus. Es ist eine wahre Freude ihnen dabei zuzusehen, wie sie in Rauch aufgehen.

Einmal verbrannt bringt ein jeder Gegenstand Geld in Form von Münzen ein, mit denen man weitere Gegenstände kaufen und sich liefern lassen kann. Und so sitzt man vor dem häuslichen Kamin, dem „Little Inferno Entertainment Fireplace“, und verfeuert ein Ding nach dem anderen, um immer weitere Einträge in den Katalogen freizuschalten. Zunächst reicht dies vollkommen aus, um einen Fortschritt im Spiel zu erzielen. Man gibt Geld für Dinge aus, die man verbrennt, was mehr Geld einbringt, als man ausgegeben hat, was man wiederum für weitere Gegenstände ausgibt. Und so ist man gefangen in einer nie abreißen wollende Konsumspirale.
Hin und wieder krabbeln kleine Spinnentiere durch den Kamin, die man mit einem Mausklick ebenfalls ins Feuer befördern kann, und die so weitere Münzen einbringen. Gerettet wir nichts und niemand.
Neben all den bestellten Gegenständen bring der Postbote in regelmäßigen Abständen auch Briefe. Zum einen von der Matriarchin der Tomorrow Corporation, Miss Nancy genannt, die einen in dem eigenen Konsumverhalten bestätigt. Alles richtig so, mach weiter! So viele tolle Dinge, die man verbrennen kann!

Auch flattern hin und wieder „wichtige“ Wettermeldungen ins Haus, die einen nur weiter bestärken sollen. Draußen ist es kalt und ein Ende des Winters ist nicht abzusehen. Also immer weiter fleißig den Kamin beheizen.
Doch dann kommt völlig unerwartet ein Brief von einer Nachbarin, die ihrerseits eine Feuerstelle der Tomorrow Corporation besitzt. Wie vermutlich ein jeder Stadtbewohner. Man beginnt Gegenstände per Brief zu tauschen und es entwickelt sich tatsächlich so etwas wie eine Beziehung. Bis es plötzlich zu einer großen Katastrophe kommt. Verraten wird an dieser Stelle aber wie immer nichts.
Zurück zu den Katalogen. Nach einiger Spielzeit gelangt man an einen Punkt, an dem das reine Verbrennen einzelner Gegenstände nicht mehr ausreichend ist, um weitere Einkaufsmöglichkeiten freizuschalten. Ab sofort gilt es Dinge in Kombination miteinander zu verfeuern. Die Hinweise hierzu sind als Rätsel gehalten. Mal einfach wie „Fahrrad Piraten KOMBO“, zu deren Auflösung man genau diese beiden Objekte ins Feuer werfen muss. Oder aber in verschlüsselter Form. Was zum Beispiel gehört zu einer „Zugedröhnte Midlifecrisis KOMBO“ oder aber zu einer „Gerichtskosten KOMBO“? Insgesamt 99 solcher Puzzles beinhaltet „Little Inferno“, für das Durchspielen ist aber eine deutlich kleinere Teilmenge ausreichend.

Mit dem Lösen einer jeden Kombination erhält man neben Geld auch Briefmarken, mit denen man den Lieferprozess der Postpakete beschleunigen kann. Dies ist oft sehr hilfreich, da gerade die Gegenstände der fortgeschrittenen Kataloge eine Auslieferungszeit von mehreren Minuten besitzen. Ohne den Einsatz von Marken ist man gezwungen, abzuwarten und Tee zu trinken.
Sind endlich alle Kataloge freigeschaltet und ein jeder Gegenstand mindestens einmal verbrannt, so kommt noch einmal Bewegung in die Geschichte von „Little Inferno“. Anstelle eines Abspanns nimmt das Spiel eine vollkommen unerwartete Wendung und ist wider Erwarten noch lange nicht zu Ende. Soviel sei verraten, man wird seinen Platz vor dem Kamin verlassen, zum ersten Mal seit langem vor die Haustür treten und beginnen, die fast vergessene Welt um einen herum zu erkunden.

Bis ihn die Zentrale der Tomorrow Corporation führt der Weg, bis man letztendlich Miss Nancy höchstpersönlich gegenübersteht. Und eine Entscheidung treffen muss, nach der es jedoch kein Zurück mehr gibt.
Fazit
„Little Inferno“ ist wie alle Spiele der Tomorrow Corporation etwas ganz Besonderes. Allein die Idee zu diesem Titel ist einzigartig. Eine absolute Empfehlung und all die äußerst positiven Reviews im Steam-Store sprechen für sich selbst.
Noch ein Gedanke zum Schluss. Da man den Protagonisten des Spiels ganz lange nicht zu Gesicht bekommt, und aus dessen Perspektive Gegenstände in den Kamin wirft, spielt man letztendlich sich selbst. Es macht keinen Unterschied, ob man nun einen Charakter übernimmt, der wie gebannt Dinge verfeuert, oder ob man selbst stundenlang wie ich vor dem Feuer sitzt und es kaum erwarten kann, Nachschub zu bestellen. Dieses Spiel mit den Ebenen ist eine der großen Stärken von „Little Inferno“. Als der Hauptcharakter des Spiels dann endlich seinen Platz verlässt und beginnt, über sein bisheriges Leben nachzudenken, so kommt man auch als Spieler ins Grübeln. Was sind all die Gegenstände um einen herum wirklich wert, von denen man glaubt, dass sie einen glücklich machen? Ist man denn nicht auch ein Gefangener der Konsumgesellschaft? Hat man dies überhaupt noch unter Kontrolle? Oder kauft man willenlos alles ein, was einem in Katalogen (Internet, Zeitschriften, Werbung…) angeboten wird. Was davon ist so kurzlebig, dass es in kürzester Zeit überholt ist? Was könnte man auch jetzt schon bedenkenlos ins Feuer werfen…

![]()
P.S. Der Soundtrack zu „Little Inferno“ ist wie der zu „Human Resource Machine“ erneut aus der Feder von Kyle Gabler. Wer möchte kann entweder auf Soundcloud in die tolle Musik des Spiels reinhören oder sie gleich auf der Webseite des Entwicklerstudios kostenlos herunterladen.