Als Regent hat man es wirklich schwer! Von wegen „von Gottes Gnaden“. Eine Strafe ist das! Man ist der Gefangene einer nach Macht strebenden Kirche, einem hungernden Volk, einem korrumpierten Militär, und hat gegen die stets klammen Staatsfinanzen anzukämpfen.
Und wäre das nicht schon Stress genug, so machen einem der Hofnarr, ein größenwahnsinniger Wissenschaftler, der Henker, der Minnesänger und eine Vielzahl an sonstigen Bewohnern des königlichen Hofes das Leben schwer. Hier ist richtig was geboten. Eine nie enden wollende Welle an Anfragen, Wünschen, Verfehlungen und Wehwehchen. Insgesamt 38 Charaktere drängen den Monarchen unentwegt zu Entscheidungen.
Der Scharfrichter bedrängt in Verkleidung Kinder. Kann sich aber nicht selbst richten! Eulenspiegel entwendet der Kirche ein goldenes Kreuz. Zurückgeben oder als Teil des Staatsschatzes einkassieren? Einen Kreuzzug beginnen? Benötigen die gottlosen Heiden in Lamaskus eine Kirche? Soll ich mich am Sklavenhandel beteiligen? Besser wegsehen oder eingreifen? Braucht mein Königreich wirklich eine neue Flagge? Was für Tier symbolisiert mich am besten? Soll ich alle Barbaren hinrichten lassen? Und was ist das für eine geheimnisvolle Gruft unter meinem Palast?

Allen recht machen kann man es sowieso nicht. Schickt man das Militär zur Unterstützung befreundeter Königreiche, so fehlt es zur Verteidigung der eigenen Grenzen. Erlaubt man der Hexe ein Geschäft zum Verkauf von Tränken und Tinkturen zu eröffnen, erfreut man zwar das eigene Volk, verärgert aber die Kirche. Die Pest ist ausgebrochen. Soll ich die Stadttore verschließen? Wirkt sich das auf den Handel und folglich den Pegel der Staatskasse aus? Die Kirche schreit nach einer Reform! Was sind die möglichen Folgen? Ich weiß es nicht! Das Spiel ist ein endloser Balanceakt. Try and Error. Jede Entscheidung symbolisiert dabei ein Jahr der Regentschaft. Wie lange kann man sich als Oberhaupt des Reiches halten?
Getarnt als Kartenspiel mit Tinder-Touch („Swipe left or right“) ist Reigns ein Spiel über das Treffen von Entscheidungen mit zunächst unklarem Ausgang, über bedächtiges Abwägen und über das Management von Ressourcen. Und vor allem…es macht richtig Spaß. Die kleine Simulation mit Tiefgang und Story ist eine äußerst positive Überraschung. Eine absolute Empfehlung für die iOS-Plattform.
Gerald der Erste
Wir schreiben das Jahr 1073 n.Chr. Als Gerald der Erste besteige ich stolzen Hauptes den Thron, das erste Jahr meiner Regentschaft beginnt. Die Interessen zwischen den vier Säulen meines Reiches sind mehr oder minder ausgeglichen. Gut so.
Mein treuer Gefährte Rex bellt mich an. Er möchte, dass ich ihm folge. Mal sehen was er von mir will, ich gehe mit. Wir spielen ein wenig Ball, ich werfe, Rex bringt ihn zurück Aber so richtig weiter bringt mich das Ganze nicht. Schluss mit dem Apportieren, ich habe ja schließlich ein Reich zu regieren.

Der Bauet Mat erscheint im Thronsaal. Im Bergwerk gilt es eine Entscheidung zu treffen. „Seltsame Gruft“? „Geisterhafte Stimmen“? „Üble Gerüche“? Da lasse ich mal besser die Finger weg und erteile den Befehl zum Verschließen der Grube. Regieren kann so einfach ein!

Aber so schnell werde ich Mat nicht los…Und er bringt diesmal frohe Kunde. Die Ernte ist mehr als reichlich ausgefallen. Alles meins? Oder teile ich den Ertrag mit meinem Volk? Da will ich mal nicht so sein, schließlich bin ein gerechter König. Meine Untertanen sollen nicht des Hungers leiden.

Und kaum hat die Ernte meinen Kornspeicher bis zum Platzen gefüllt, so wird mir bewusst, dass ich jetzt reich bin. REICH! Das muss gefeiert werden, findet Randall mein Hofmaler. Vor eine Wahl stellt er mich nicht. Also wird ein Fest organisiert. Was kann denn schon schiefgehen?

Tja…all der Reichtum bringt mir nichts ein. Ganz im Gegenteil. Ein unglücklicher Zwischenfall während des rauschenden Festes beendet meine Regentschaft jäh. Nach nur fünf Jahren ist Gerald der Erste schon wieder Geschichte und fährt in die königliche Gruft ein. Einen bleibenden Eindruck in den Geschichtsbüchern meines Landes habe ich nicht hinterlassen können. Nicht einmal ein Titel wurde mir verliehen. Das hat man nun davon. Da hätte ich mal besser mit Rex gespielt. Wuff!

Fazit
Reigns ist klasse. Zwar besitzt das Spiel ein Ende, aber der Wiederspielwert ist enorm. Nach rund zweitausend Jahren Regentschaft mit unzähligen Herrschern (Georg, Eduard, Robert…) hat mich im Jahre 2015 letztendlich der Teufel geholt.
Aber noch habe ich lange nicht alle Karten des Spiels aufgedeckt, alle Taten erfüllt und bin auch noch nicht alle möglichen Tode gestorben. Dafür werde ich noch ein paar Jahrtausende spielen müssen. Wie finde ich das gefrorene Blut? Wie trickse ich den Teufel aus? Wie lange kann ich überhaupt auf dem Thron halten, bis ich eines natürlichen Todes sterbe?

Ist Reigns immer ein faires Spiel? Nein, aber Spaß macht es trotzdem. Gerade Gerald der Erste hatte eigentlich keine Chance. Hätte ich das Bergwerk nicht versiegelt, so wäre ich vermutlich in den Tiefen des Stollens verendet. Hätte ich die Ernte nicht mit meinem Volk geteilt, sondern für mich selbst behalten, wäre ich erst recht zu reich geworden.
Immer wenn eine der vier Mächte die Überhand gewinnt, endet die Regentschaft. Ist die Kirche zu mächtig, wird man ins Exil gedrängt. Gewinnt das Militär die Übermacht, so folgt unweigerlich ein Putsch. Kommen die Untertanen an die Macht, so stürmt das Volk die Burg und beendet die Monarchie. Revolution! Eine zu volle Staatskasse zieht einen dekadenten Tod nach sich. So bin ich zum Beispiel schon bei einer Völlerei in einem Bierfass ertrunken.

Aufgelockert wird Reigns durch kleine Würfelspiele mit dem Hofnarr oder aber Duelle, eine Huldigung des Beleidigungsfechtens bekannt aus Monkey Island. „Ihr kämpft wie mit einer Stricknadel. Ihr werdet ein schöner Pulli!“, „Habt ihr das Fechten im Krankenhaus gelernt?“… Beständig lernt man neue Kampftechniken, neue Beleidigungen und die dazu passenden Antworten.
Reigns besitzt trotz des überaus einfachen Spielprinzips viel Tiefgang und Humor. Ich könnte hier noch ganz lange weiterschreiben. Über die erhältlichen Boni, die Witze und versteckten Anspielungen. Aber dafür habe ich keine Zeit. Meine Untertanen brauchen mich. Jemand muss ja die Entscheidungen im Lande treffen!
