Thimbleweed Park

Schreibblockade. Man könnte denken, es sei ein Einfaches etwas zu Thimbleweed Park auf digitales Papier zu bringen. Adventure, Point & Click, fünf Charaktere, Hard- und Easy-Modus, Ron Gilbert und Gary Winnick, die Schöpfer von Klassikern wie Maniac Mansion oder Monkey Island…bla bla blargh!

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Mit der Größe des Gegenstandes wächst unweigerlich die Ehrfurcht davor.

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„In a town like Thimbleweed Park a dead body is the least of your problems.“ Ich erinnere mich noch gut daran, wie unzufrieden all meine Freunde und Kollegen mit dem Ausgang der Matrix Trilogie waren. „Everything that has a beginning has an end“. Ein Ende wurde versprochen und ein Ende wurde geliefert. Auf dem Filmplakat stand nichts von einem Sieg der Menschen über die Maschinen. „In a town like Thimbleweed Park…“…ganz in Matrix-Tradition, ehrlicher könnte es nicht dastehen.

Thimbleweed Park ist für mich Anton Egos Ratatouille. Eine wunderschöne Zeitreise.

1992, mein Kumpel Christian und ich schwingen uns an einem heißen Sommertag auf unsere Räder, quer durch die ganze Stadt in den Computerspiele-Verleih. Leihen uns Indiana Jones and the Fate of Atlantis, radeln wieder nach Hause, verstoßen gegen das Gesetz, packen wieder alles ein und radeln erneut in den Shop, das Spiel zurück zu bringen. Ob es uns denn nicht gefallen habe, da wir ja schon wieder da sind. Keine Ahnung was genau die Ausrede war. Ein paar Mark Ausleihgebühr bezahlt und wieder 40 Minuten zurück nach Hause. Die fotokopierten Scheiben des Kopierschutzes ausschneiden, ein wenig basteln und es kann losgehen. Die nächsten Tage verbringen wir bei einer Außentemperatur von 30 Grad vor Christians 486er von Compaq. Es gilt den Nazis in Atlantis zuvorzukommen. Kein Internet, keine Lösungsbücher. Pommes aus der Fritteuse, dazu selbstgemachtes Curry-Ketchup.

Das ist es, was Adventures für mich bedeuten. Dank Thimbleweed Park konnte ich nochmals 17 Stunden zurück in diese Zeit reisen. Alle sind gekommen, die Edisons, Zack McKracken, Guybrush…Wie David in A.I., der noch einen Tag mit seiner Mutter verbringen durfte. DANKE! Es bedarf keiner Fortsetzung. Diese Zeit kommt nie zurück.

Kurz vor Ende von Thimbleweed Park hatte ich ein Aha-Erlebnis. Delores wandert durch die Wireframe-Welt. Aus Pixeln wird urplötzlich Fotorealismus. Alles eine Frage des Hintergrundes.

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Ich frage mich, ob den Schöpfern des Spiels Rainer Werner Fassbinders Welt am Draht bekannt ist. Gefangen in einer Computerwelt, sich der eigenen (Nicht)-Existenz unbewusst, gilt es einen Mordfall zu lösen.

399 Wörter, meine Schreibblockade wird nicht besser. Ich lasse es jetzt gut sein. <Beep> this <beeping> blog post!

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Doug dug.

Die Zwerge haben zu tief gegraben. Du weißt, was sie entdeckt haben, und Du fürchtest Dich davor…

Saruman der Weiße

Tja, Doug, das war’s. Lange und tief hast Du dich durch den Berg gegraben. Du wurdest geplättet, zerquetscht, gefressen, frittiert, getoastet, oder bist einfach nur gestorben. Immer und immer wieder. Die Gier nach Gold und Edelsteinen hat Dich einfach nicht ruhen lassen. Tiefer und tiefer in den Fels hinein. Vorbei an Fledermäusen, feuerspeienden Echsen, Keulen schwingenden Ogern, Geistern…Oft bist Du nur ganz knapp der einstürzenden Decke entkommen, nur um kurz darauf als Harfe spielender Engel aus kochender Lava wieder nach oben ans Tageslicht zu schweben. Oh welch Schmerz!

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Doug dug. ist Crack. Einmal spielen, sofort süchtig. Im App Store hat ein Spieler folgenden Kommentar mit genau einem Stern hinterlassen: „Für was sammelt man Geld, wenn man es sowieso nicht ausgeben kann? Keine Kostüme usw.! Wird dadurch schnell langweilig. Geld nicht wert!“ Was für eine Unverschämtheit! Wer zur Hölle braucht Kostüme? Hier wird nichts langweilig. Ich muss mich jetzt zwingen Doug von all meinen iDevices zu deinstallieren. Ich brauche mein altes Leben zurück. Zwerg, wir hatten eine tolle Zeit. Aber ich muss auch noch etwas Anderes machen, als mich nur mit Dir durch das Erdreich zu buddeln. Damit also eines gleich klar ist:

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Das ist die einzige Wertung, die dieses Spiel verdient. Basta!

Keine Werbung, keine In-App-Käufe, nichts. Einfach nur spielen. Und das auf Hochglanz poliert. Was zunächst nach simplem Graben aussieht, bietet soviel mehr. Allein die Animation des Schaufelschwingens ist Gold wert. Ok, der war flach. Sorry. Dann Boni für das schnelle Einsammeln von Metall und Edelsteinen, oder aber für das zügige Beseitigen von Monstern. Die Möglichkeit die Decke abzugraben. Oder aber Dougs Kopfeinziehen, wenn er noch schnell einem einstürzenden Tunnel entkommt. Close call! Hier wurde wirklich an alles gedacht. All die Möglichkeiten aus dem Leben zu scheiden. Soviel Schätze. Bomben. Kisten mit Sprengstoff. Oh Gott, ich habe den Zünder ausgelöst. Schnell weg hier! Aber nur wohin? Tick, tick, tick…Fledermäuse, die einen verfolgen. Game Center Achievements. Sound, der mich an die goldenen Amiga-Zeiten erinnert.

Ein Spiel gemacht für iOS. Mehr als einen Daumen auf dem Touchscreen braucht es nicht.

Kein Versuch gleicht dem vorherigen. Ist man gestorben, so kommt nie das Gefühl auf, dass es unfair war. Nein, man hat es ganz sicher selbst vergeigt. Also auf ein Neues. Über 300 Highscores habe ich angesammelt.

Einen Euro kostest Doug dug. aktuell. Kaufen! Aber es kann niemand sagen, ich hätte keine Warnung ausgesprochen. Wir sehen uns Wochen später wieder am Tageslicht.

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To the Moon

Ich weiß gar nicht mehr genau, wie ich eigentlich auf To the Moon aufmerksam geworden bin. Vermutlich durch Laura Shigihara aka supershigi und ihr Lied Everything’s AlrightDas trieft nur so vor Kitsch, genau meins.

Laura Shigihara kennt der eine oder andere Gamer vielleicht noch aus dem Abspann zu Plants vs. Zombies. Dem ersten Teil natürlich, nicht die Katastrophe, die EA in Form von Plants vs. Zombies 2 verbrochen hat. Das ist mal keinen Link wert. Am Ende klickt noch wer drauf und lädt das Spiel…bitte bitte nicht.

Mit To the Moon zielt Freebird Games gleich auf drei meiner Schwachstellen, Pixelkunst, Japan RPG Touch und Musik, die ohne Umweg über Ohr und Hirn direkt auf die Tränendrüse drückt. TAKE MY MONEY!

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Mal ehrlich, wer kann denn bei einem Spiel, das so aussieht Nein sagen? Was für ein Mensch muss das sein?

To the Moon waren sieben Stunden bestens investierte Lebenszeit. Gleich zu Beginn des Spiels überfährt man ein Eichhörnchen. Gute Geschichten beginnen mit einem Knall. Und soviel sei verraten, der geplättete Nager wird gegen Ende der Story noch einmal richtig wichtig.

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To the Moon lebt von seiner Erzählung, deren Verlauf zunächst noch recht vorhersehbar ist. Liebe, Krankheit, Entbehrung und so weiter und so fort. Nichts wirklich Neues. Ist man dann aber erst einmal so richtig schön eingelullt, so erfährt das Spiel gleich zwei Wendungen, die einem das Herz zusammenschnüren.

Ich kann einem jeden nur raten, diese kleine Kunstwerk selbst zu spielen. Bereits ein kurzer Blick in die allwissende digitale Müllhalde ruiniert das Spiel für immer.

Bei To the Moon handelt es ich um eine Zeitreise durch die Erinnerungen des im Sterben liegenden Johnny Wyles. Johnnys letzter Wunsch ist es zum Mond zu reisen! Und so hat er einen Vertrag mit der Sigmund Corporation geschlossen, einem Konzern, der über die Technologie verfügt, Sterbenden falsche Erinnerungen einzupflanzen. Total Recall und Vanilla Sky lassen grüßen.

Als Spieler schlüpft man in die Rollen von Dr. Eva Rosalene und Dr. Neil Watts, Angestellte der Sigmund Corp. Virtual Reality gleich bewegen sich die beiden durch Johnny Wyles Erinnerungen. Es gilt den geeigneten Moment zu finden, ihm das Verlangen, als Astronaut zum Mond zu reisen, einzupflanzen. Aus dieser Saat wird eine falsche Erinnerung sprießen, die vollständig erblüht von einer echten Erinnerung nicht mehr zu unterscheiden ist. Johnny Wyles wird fest daran glauben, auf dem Mond gewesen zu sein.

Vor den Augen des Spielers setzt sich dabei Johnnys Leben wie ein Puzzle zusammen. Die Besonderheit liegt aber darin, dass die Reise entgegen dem Zeitstrahl verläuft, beginnend am Sterbebett, zurück bis in die Kindheit. Beobachtete Szenen ergeben oft erst dann einen Sinn, wenn man auch erfahren hat, was in den Jahren zuvor geschehen ist.

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To the Moon ist kein perfektes Spiel. Die Spielmechanik beschränkt sich größtenteils darauf Erinnerung für Erinnerung nach sogenannten Mementos abzusuchen. Dabei handelt es sich um Gegenstände, die sich wie ein roter Faden durch Johnnys Leben ziehen. Ein Rucksack, eine tickende Uhr oder aber ein Glas eingelegter Oliven zum Beispiel.

Hat man genug Erinnerungsfetzen zusammengetragen, so gilt es jeweils ein kurzes Puzzle zu lösen, bevor der Sprung durch die Zeit zur nächsten aufgezeichneten Erinnerung erfolgen kann. Diese Aufdeck-Rätsel wirken fehlplaziert und sind einfach nur hinderlich. Zur Handlung tragen sie absolut gar nichts bei.

Auch der Humor der Dialoge ist oft unnötigerweise überzogen. Das ruiniert die Geschichte zwar nicht, ist aber halt auch nicht lustig. Ein Memento zum Beispiel mit einem aus Dragon Ball entlehnten „Kamehameha!“ zu aktivieren mag mir einfach kein Lächeln aufs Gesicht zaubern.

Eine Szene, die mir dafür aber sehr gut in Erinnerung geblieben ist, ist eine Reitsequenz. Hat man den Dreh erst einmal raus, das Pferd ist auch nicht wirklich schwer zu steuern, so kann man die Freude an der Geschwindigkeit und der Bewegung richtig spüren. Das ist wirklich sehr gut gelungen. Ich hätte für eine sehr lange Zeit Weiterreiten können.

To the Moon besitzt ein Happy End. Nur eben nicht das Ende, das ich erwartet hatte. Vom Humor und einer an manchen Stellen leicht hakeligen Steuerung abgesehen, ist allein die Geschichte das Spielen wert. Ein wirklich sehr schönes Spiel.

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Home

Acht Monate, 20 Spiele. Wenn ich nur schreiben könnte, dass mein Berg an ungespielten Titeln kleiner wird… Auf Platz 20 hat es Home geschafft, ein wirklich einzigartiges Horror Adventure aus der Feder von Benjamin Rivers.

Kopfhörer auf, Licht aus! Los geht’s.

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Kopfschmerz! Dunkelheit. Meine Fingerspitzen ertasten einen metallischen Gegenstand…eine Taschenlampe. Es werde Licht…

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Wo bin ich? Wie bin ich hierher gekommen? Wer bin ich überhaupt? Ich muss hier weg! Eine Tür, unversperrt. Was verbirgt sich dahinter?

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Ein Knarzen schlecht geölter Scharniere. Eine kurze, animierte Zwischensequenz. Resident Evil lässt grüßen.

Nach gut anderthalb Stunden Spielzeit habe ich den Abspann erreicht. War das Geräusch gerade im Spiel, oder habe ich da etwas im Haus gehört? Kopfhörer abnehmen, lauschen. Oh, wie ich dieses Gefühl hasse!

Mein ganz persönlicher Heimweg wirft am Ende mehr Fragen auf, als dass er Antworten bietet. Es bleibt eine Idee dessen, was möglicherweise passiert ist. Sowie der Wunsch nach einem alternativen Ende. Home stellt den Spieler vor Entscheidungen, mehr als ein Ausgang der Geschichte scheint möglich zu sein. Die mir am Ende des Spiels präsentierte Zusammenfassung des Erlebten deckt sich nur bedingt mit meiner Vorstellung. Aber ich habe ein vages Bild davon bekommen, wie die Geschichte in die von mir präferierte Richtung gelenkt werden könnte. Die Kunst besteht nun darin, Home bei einem zweiten oder vielleicht gar dritten Versuch in solch einer Weise zu spielen, dass das von mir erstrebte, weitaus düstere Ende erreicht wird. Ohne zu wissen, ob solch ein Ausgang überhaupt im Spiel angelegt ist oder nicht.

Das grandiose Ergebnis von sage und schreibe NULL erreichten Steam Achievements zeigt allein, dass es noch so einiges zu entdecken gibt. Mir absolut unklar, wo im Spiel noch so viel verborgen sein soll. „Discard a deadly item“? Ok, hierzu habe ich zumindest eine Idee. „End your story in the kitchen“? Wie zur Hölle soll das gehen? „Realize your worst fears“? Ich hoffe es ist genau das, was ich denke, dass es ist.

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Home spielt sich primär an einem Ort ab. Und zwar im Kopf des Spielers. Ein geschicktes Wechselspiel von Entdecken, Rätseln und Texttafeln, der goldenen Ära des Stummfilms entliehen. Jede sich öffnende Tür ist ein Weg ins Ungewisse. Dazu Soundeffekte, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Jeder Gegenstand lässt sich zweimal betrachten. Es ist der zweite, tiefergehende Blick der zählt.

Auf Rivers Homepage kann ein jeder Spieler seine ganz persönliche Geschichte hinterlassen. Betreten auf eigene Gefahr!

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Folgendes Spielerzitat deckt sich 100% mit meinem Spielerlebnis.

I pooped my pants!

Home bietet nur grobe Pixelkunst. Aber das waren die gruseligsten Pixel, die seit langem auf meinem Monitor aufgeflackert sind.

Aktuell kostet Home sowohl in Apples App Store, als auch auf Steam nur 2,99 €. Das ist weniger als ein Kaffee bei Starbucks. Worauf warten?

Dazu noch ein wenig Meta-Content unter WTF? auf Benjamin Rivers Homepage mit dem passenden Titel „I don’t understand“.

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Home ist eine absolute Empfehlung. Ich werde mich auf alle Fälle noch auf die Suche nach dem von mir angestrebten Ende der Geschichte machen.