Ultima II – Revenge of the Enchantress

12 RPGs in 12 Monaten

52 Titel wollte ich 2019 durchspielen, ein Spiel pro Kalenderwoche. 63 sind es am Ende geworden. Mein Ziel habe ich somit erreicht und ein neues muss her. Schon länger trage ich mich mit dem Gedanken, in die wunderbare Welt des Rollenspiels zurückzukehren. Meine Sammlung an Dungeons & Dragons Quellenbüchern kann ich inzwischen in Metern messen und Dank eBay hat mich auch Aventurien, die Welt des Schwarzen Auges, wieder. Nach ersten Gehversuchen mit der Enhanced Edition von Planescape Torment, Tides of Numenera und Ultima I gehe ich nun in die Vollen und rufe für 2020 das Motto „12 RPGs in 12 Monaten“ aus.

Noch ist meine Liste an geplanten Spielen nicht final. Vor allem das Upgrade meines iMacs auf macOS Catalina hat mir einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. 32-Bit Anwendungen werden von Apple nicht länger unterstützt und über Nacht hat sich meine Steam-Bibliothek mehr als halbiert. Klassiker wie Wasteland, Shadowrun Returns oder all die Wizardry-Titel wollen nicht länger starten. Tot, aus, vorbei. Gott sei Dank gibt es aber noch GoG und die gute alte DOS-Box. Und so starte ich in das neue Jahr mit einem Klassiker, der rund 30 Jahre auf dem Buckel hat, Richard Garriotts zweites Ultima, „Revenge of the Enchantress“.

Fremdartige Kreaturen, Kneipen, tödliche Verliese, eine Reise zu fremden Planeten und gar durch die Zeit. Große Versprechen sind das, die einem das Intro präsentiert.

Wie ein jedes Rollenspiel startet auch Ultima II mit der Erschaffung eines Charakters. Nach ein wenig Recherche sind die 90 verfügbaren Punkte schnell auf die typischen Attribute wie Stärke oder Weisheit verteilt und es kann losgehen. Als Elfenmagierin namens Verness betrete ich die Spielwelt.

Wie bereits beim ersten Teil wird vom Spieler einiges an Fantasie abverlangt. Ganz viel Lila, Schwarz und Hellblau plus weiße Strichmännchen. Das ist das Gesicht von Ultima II in der Version, die ich gespielt habe.

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„Battle strange creatures across the face of the earth“

Am Kampfsystem hat sich im Vergleich zum Vorgänger so gut wie nichts verändert. Attacke, Richtung wählen, auf das Beste hoffen. Während man selbst nur in eine der vier Himmelsrichtungen Schläge austeilen kann, wird man von feindlich gesinnten Kreaturen gerne auch diagonal angegriffen, was ein schnelles Vorbeisausen an ihnen erschwert. Hinzugekommen sind zudem äußerst nervige Teufel, die es vermögen, einen mit ihrer dämonischen Magie zu paralysieren. Aber auch der liebgewonnene Balron aus dem ersten Teil ist zurück.

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Hat man das Startkapital in eine mediokre Rüstung und eine Startwaffe investiert, so wird schnell klar, dass Ultima II eigentlich nur aus Kämpfen besteht. Denn ohne Gold geht in dem Spiel nichts. Heilen kostet, Attributaufwertung kostet, Nahrung kostet. Und solange man sich nicht im Besitz eines gekaperten Piratenschiffes befindet, verbraucht ein jeder Schritt auf der Weltkarte Nahrung. Fallen die Ressourcen auf null, so ist das Spiel unweigerlich vorbei. Es gilt so viele Kämpfe ausfechten, dass ich schnell das Zählen aufgegeben habe. Um in den Besitz von ausreichend Gold für eine perfekte Charakteraufwertung zu kommen, sind laut Strategywiki 2.000 Gegner zu besiegen. Aber all das Jammern und Klagen hilft einem nichts, da muss man einfach durch will man Ultima II spielen.

„Search for clues in careless words spoken at the local pub“

Zu Beginn des Spiels wird man einfach in die Welt geworfen. Wo bin ich? Wo muss ich hin? Was ist das Ziel? Über all dies schweigt sich Ultima II aus. Und auch die Hilfestellungen, die man durch Gespräche in den Städten in Erfahrung bringen kann, sind mehr als kryptisch („Find the father, earn the ring!“). Ich ziehe meinen Hut vor jedem, der dieses Spiel eigenständig gemeistert hat.

Zumindest kann man im Handbuch lang und breit die Hintergrundgeschichte nachlesen und erfährt so von den Machenschaften der bösen Zauberin Minax, die als Lehrling des gefallenen Mondain (s. Ultima I) nach langen Jahren der Ruhe und des Friedens die Welt erneut mit Terror überzieht.

„Traverse deep dark deadly dungeons and tall terrifying towers“

Was für eine Alliteration. Und wie absolut unnötig ist dieses Spielelement für den erfolgreichen Abschluss des Spiels. Zumindest in der Version, die ich in den Fingern hatte. Denn den für das Raumschiff notwendigen Treibstoff Tri-Lithium gibt es als zufällige Beute bei all den Monstern, die die Oberfläche bevölkern. Folglich habe ich keinen einzigen Dungeon ernsthaft erkundet. Schade eigentlich, denn nach wie vor bin ich von dem Wechsel in die Ego-Perspektive fasziniert, den Garriott auf den beschränkten Möglichkeiten seines Apple II realisiert hat.

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„Travel throughout the galaxy to the planets of our solar system“

Oh wie habe ich die Weltraumkämpfe des erstens Teils gehasst. Ultima II entfernt dieses Spielelement gänzlich. Mehr als eine Rakete, Treibstoff und Koordinaten werden nicht benötigt, um fremde Planeten zu bereisen.

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Trotzdem ist dieses Spielelement die Hölle. Denn die Rakete, die nur so über die Oberfläche rast, will erfolgreich gelandet werden. Ein Fehlschlag führt zu sofortigem Tod. Ein Speichern ist jedoch nur auf dem Heimatplaneten möglich. Leicht kann es passieren, dass ein jeglicher Fortschritt, den man in der Galaxis erreicht hat, durch einen gescheiterten Landeversuch zunichte gemacht wird. Aber ohne zumindest einen Abstecher ins All ist Ultima II nicht zu lösen. Der Rest ist schlicht schmückendes Beiwerk.

„And conquer time itself to battle Minax the Enchantress“

Bevor ich mich über finalen Kampf gegen Minax auslasse, wird es Zeit mehr über die Spielwelt zu berichten. Denn Ultima II spielt auf unserem Planeten Erde. Und dies zu unterschiedlichen Zeitebenen, die durch immer wieder an bestimmten Orten erscheinende Zeitportalen miteinander verbunden sind. Zunächst ist nicht klar, wo man sich befindet, aber schnell kommt die Oberwelt irgendwie bekannt vor. Und wirft man dann einen Blick auf die Weltkarte, so fällt es einem wie Schuppen von den Augen.

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Insgesamt fünf Zeitebenen kann man bereisen. Von der Ära des Superkontinents Pangea über 1423 v. Chr. und das Jahr 1990 bis weit in die Zukunft des Jahres 2112 und darüber hinaus in die zeitlose „Time of legends“ in der man auf Minax trifft.

Am Anfang ist der Weg durch die Portale eine Herausforderung für sich. In welcher Zeitebene befinde ich mich gerade? Wie komme ich nochmal in die gewünschte Zeit? Die dem Spiel beigefügte Übersichtskarte hilft hier nur bedingt.

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Aber nach ein wenig Spielpraxis hat man den Bogen raus und bewegt sich recht flüssig durch all die Portale. Und so richtig verloren gehen kann man nicht. Immer wieder erscheint ein neues Tor, das man zur Not einfach ausprobiert. Solange bis man die Orientierung wieder gefunden hat.

Ich wünschte, ich würde das Spiel als Original zu besitzen. Als Diskette in einer Box mit all dem Zusatzmaterial. Was waren das noch für Zeiten, als jedem Rollenspiel mindestens eine Stoffkarte beigefügt sein musste. Als es noch bei dem Karstadt meiner Heimatstadt eine eigenen Computerabteilung im zweiten Obergeschoss gab.

Aber nun endlich zum Showdown. Nach meinen Fehlschlägen mit der Rakete war ich mir eigentlich sicher, das Schlimmste überstanden zu haben. Alles erledigt, Gesundheit voll aufgeladen, beste Rüstung angelegt und stärkste Waffe ausgerüstet. Bereit Minax gegenüberzutreten. Was kann da noch schiefgehen? Alles! Was für ein harter Kampf das am Ende war. Und dann ist mir auch noch mein magischer Ring in einem der zahlreichen Versuche Minax zu bezwingen abhandengekommen. Schon durfte ich erneut 500 Goldstücke auftreiben, um Ersatz zu beschaffen. Wie süß war da mein Erfolg.

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Fazit

Ultima ist einfach super. Auch wenn der zweite Teil wirklich sehr unrund ist. Wie bereits geschrieben, geht es eigentlich nur ums Kämpfen und um das Anhäufen von Gold. Hat man einmal verstanden wie der Hase läuft, so fährt man einen Großteil der Spielzeit von rund 11 Stunden die Weltkarte mit dem Schiff ab, lockt Monster an und schickt sie mit Hilfe der Bordkanone schnurstracks ins Jenseits. Immer und immer wieder. Nicht einen einzigen Zauberspruch habe ich im gesamten Spiel gewirkt. Und dies als Magier!

Nach Ultima II ist vor Ultima III. Den dritten Teil habe ich bereits geladen und kann jederzeit mit „Exodus“ loslegen. Und ich habe mir das Buch Trough the Moongate gekauft. Ein Liebhaberwerk und Kickstarter des Italieners Andrea Contato über Richard Garriott, die Firma Origin und die wunderbare Welt des Lord British. Ich kann es kaum erwarten zurückzukehren.