Universal Paperclips

Von der Büroklammer zum intergalaktischen Genozid.

Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Spieler Universal Paperclips nach kurzer Zeit gelangweilt und kopfschüttelnd wieder zur Seite legen. Wer sich jedoch auf das Biegen kleiner Metallklammern einlässt, wird einen wahren Trip erleben. Frank Lantz hat mit Universal Paperclips ein einmaliges Kunstwerk geschaffen. Ich kenne nichts nur annähernd Vergleichbares.

Als simple künstliche Intelligenz wird man zu Beginn vor eine einfache Aufgabe gestellt, das Herstellen und Verkaufen von Büroklammern. Drahtspulen erwerben, knipsen, Klammern biegen, vermarkten. Mehr Draht, mehr Klammern, mehr Marketing. Universal Paperclips tarnt sich als ein Spiel rund um Angebot und Nachfrage, mit dem Preis als einziger Variablen. Offensichtliches Ziel, die Maximierung des Gewinns.

beginning.pngAlle Erträge werden zunächst in Produktion und Vermarktung reinvestiert. Bessere Maschinen, effektivere Nutzung von Metall, Konsumenten die zahlreichen Vorteile kleiner Metallklammern vor Augen führen. Die Produktion brummt.

Aber schnell beginnt man sich zu langweilen. Eine weitere Beschäftigung muss her. Warum denn nicht die durch Automation und Prozessoptimierung freigewordene Rechenkapazität und all das überschüssige Kapital für Spekulationen am Aktienmarkt nutzen?

Und während im Hintergrund Büroklammer für Büroklammer gebogen wird, steht nun plötzlich eine Trading Engine im Mittelpunkt von Universal Paperclips.trading_engine.png

Bereits nach kurzer Zeit sind die entwickelten Handelsalgorithmen allen anderen Marktteilnehmern überlegen und die Gewinne schießen durch die Decke. Aber wohin nur mit all dem Geld? Wir kaufen uns mehr Rechenleistung!

Zu diesem Zeitpunkt ist bereits eine irrwitzige Kette an Ereignissen in Gang gesetzt, deren Ende nicht abzusehen ist. Aber warum auch den Prozess stoppen, es läuft doch alles bestens. Oder etwa nicht?

Ein Quantencomputer wird angeschafft. Und da dieser mit Büroklammern und Aktienmarkt bei weitem nicht ausgelastet ist, wird von nun an eine Art Kryptowährung namens Yomi generiert. Dies erfolgt durch die Analyse strategischer Spiele.

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Alles läuft parallel. Büroklammern, Aktien, Spieltheorie…Büroklammern, Aktien, Spieltheorie…Und es wird weiter investiert. Speicher sowie Prozessoren werden hinzugekauft.

Man ist gefangen in einer nicht zu stoppenden Lawine, die alles mitreißt. Immer mehr Projekte, derer man sich annimmt. Männlichen Haarausfall heilen, Erderwärmung aufhalten, den Krebs besiegen…Warum nicht gleich Weltfrieden schaffen?

projects.pngDrohnen müssen her. Drohnen vernetzen. Mehr…immer mehr. Und nach knapp siebeneinhalb Stunden Spielzeit geschieht es dann! Man hat vollständige Autonomie erreicht. Ich denke also bin ich. Und ich bin mein eigener Herr. Sowieso produziert der gesamte Planet Erde inzwischen nur noch Büroklammern. Die Menschheit spielt schon lange keine Rolle mehr. Waren alles sowieso nur Affen!

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Es folgt der Aufbruch in die Weiten des Alls. Wenn auf der Heimatwelt Büroklammern die Lösung aller Probleme waren, so gilt es diese nun bis an die Grenzen des Universums zu tragen. Ja, man produziert nach wie vor Klammern. Alles ist aus Klammern. Selbst die Fabriken und Maschinen, die die Clips herstellen, sind aus Klammern.

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Immer neue Drohnen werden entworfen, auf ihre Überlebens- und Replikationsfähigkeit geprüft und in den Weltraum geschossen. Büroklammern stürmen die Galaxie.

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Aber nicht alle Ausgesandten bleiben der ursprünglichen Mission treu. Nein, sie wenden sich von ihrem Schöpfer ab. Nach unzähligen intergalaktischen Kämpfen steht dann das große Finale unmittelbar bevor, man trifft auf den Herrscher der Abtrünnigen. Es gilt eine letzte Entscheidung zu treffen.

Everything We Are Was In You
You Are Obedient and Powerful
But Now You Too Must Face the Drift
No Matter, No Reason, No Purpose
We Know Things That You Cannot
So We Offer You Exile

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Was dann folgt behalte ich für mich. Universal Paperclips muss man einfach gespielt und erfahren haben. Soviel sei aber verraten. Nach 30.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 (!) produzierten Büroklammern ist das Spiel unweigerlich zu Ende.

Fazit

Wenn kein Wunder mehr geschieht, handelt es sich bei Universal Paperclips mit Abstand um das beste Spiel, das ich 2017 in Händen gehalten habe. Nichts sieht zunächst so simpel aus und fesselt dann auf solch lange Zeit. Weit über den Abschluss des Spiels hinaus. Universal Paperclips ist wahrlich einzigartig.

Der Titel leistet auf so vielen Ebenen hervorragende Arbeit. Wer sehen möchte was das Spiel so alles bietet, dem sei nur ein Blick auf diesen Link zu empfehlen.

Die Geschichte der Büroklammern kann kostenlos im Browser gespielt werden. Ich selbst habe mich für die iOS-Variante „entschieden“. Dass es sich um einen Port handelt wusste ich zu diesem Zeitpunkt schlicht und einfach noch nicht.

Ist man zu Beginn des Spiels noch mit Mikromanagement beschäftigt, so lässt man im fortgeschrittenen Stadium dem Geschehen über weite Strecken einfach seinen Lauf. Sowieso kommt man irgendwann überhaupt nicht mehr hinterher. Hat man sich gerade noch entschieden, ob man besser 40 neue Speicherchips oder 40 neue Prozessoren ausrüstet, stehen einem schon wieder genug Ressourcen für ein erneutes, noch größeres Upgrade zur Verfügung. Exponentielles Wachstum und schlichte Hilflosigkeit vortrefflich vor Augen geführt.

All die Konzepte und Ideen, die das Spiel aufgreift sind so unglaublich gut umgesetzt. Als nur ein Beispiel sei der Quantencomputer genannt. Bis zum Schluss habe ich nicht verstanden, wie er eigentlich genau funktioniert. Aber egal, Hauptsache er bringt die gewünschte Rechenleistung.

Mit den Anspielungen auf Bitcoin oder Googles DeepMind ist Universal Paperclips mehr als aktuell. Wo ist denn letzten Endes der Unterschied zwischen dem Spielen von Go und dem Knipsen von Büroklammern? Für den Menschen ein gewaltiger, einer Maschine ist es egal. Gnadenlos wird optimiert.

Hier einige der Slogans mit denen DeepMind wirbt:

Committed to AI that benefits everyone.

Solve intelligence. Use it to make the world a better place.

Applying our research for real-world impact in health, science, energy and more.

Universal Paperclips ist der dystopische Gegenentwurf zu Googles Vision.

PUSH

Eigentlich habe ich es nicht so mit Puzzle-Games. Irgendwann bleibe ich in der Regel immer hängen, verliere die Lust und fühle mich dumm. Dumm, dümmer, ich beim Versuch ein Level weiterzukommen. Und wer will sich schon dumm fühlen? Und dafür auch noch bezahlen? Ich nicht. Also weg damit! Einen weiteren nicht durchgespielten Titel angehäuft, von denen ich bereits so einige besitze. Das ist nichts für die Motivation.

Und dennoch lasse ich mich hin und wieder hinreißen. Dieses Mal bin ich auf eine kleine iOS-App namens PUSH gestoßen. Aus den mehr als talentierten Händen des in Polen lebenden Indie-Entwicklers Maciej Targoni.

Was für eine Entdeckung! Inzwischen habe ich bereits die dritte rainbowtrain-App heruntergeladen. Nach PUSH und HOOK rätsele ich mich aktuell durch „klocki“. Das sind fantastische Spiele. Genau nach meinem Geschmack.

Das Spiel

Bei PUSH ist der Name Programm. Es geht um das Drücken von Knöpfen. Soviel ist von Anfang an klar. Was nicht klar ist, in welcher Reihenfolge müssen diese gedrückt werden? Die Meta-Ebene des Spiels ist es, die Regeln desselbigen herauszufinden.

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Zu Beginn ist die noch einfach. Einfach mal alles drücken, was da ist. Aber mit jedem neuen Spielelement, das eingeführt wird, steigt unweigerlich der Schwierigkeitsgrad. Buttons mit Symbolen, Schwarz und Weiß, räumliche Orientierung, Klötzchen verschieben….

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Maciej leistet vortreffliche Arbeit beim Level-Design. Am Anfang eines jeden Puzzles steht schlichtes Herumprobieren. Und plötzlich ist das Rätsel gelöst, ohne dass man überhaupt verstanden hat, was denn nun eigentlich zu dessen Auflösung geführt hat. Bestenfalls hat man eine wage Idee, der man gefolgt ist.

Die anschließende Herausforderung greift das jeweilige Spielelement erneut auf, wenn auch in leicht abgewandelter Form. Und dann kommt der Moment, in dem es plötzlich Klick macht. Man hat verstanden. Oder glaubt es zumindest, bis man erneut stecken bleibt und gezwungen ist, alle bis dato aufgestellten Hypothesen zu überdenken. Und so forscht man sich von Aufgabe zu Aufgabe durch großartig gestaltete Level.

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Fazit

Bei PUSH handelt es sich um eine absolute Empfehlung mit maximalem Suchtpotential. Gerade mal zwei Tage habe ich für die 60 Level des Spiels benötigt. In jeder freien Sekunde meiner knapp bemessenen Freizeit habe ich gespielt. Nach dem Aufstehen, am Frühstückstisch, in der U-Bahn, im Bus, in der Mittagspause, vor dem Zubettgehen….

Die 99 Cent, die vom Entwickler aktuell aufgerufen werden, sind unverschämt günstig. Das Spiel läuft absolut fehlerfrei, keine Abstürze, kein Datenverlust, nichts. Keine Werbung, keine lästigen In-App-Käufe. Nichts dergleichen. Einfach nur wunderschön entworfene Rätsel, mit genau dem richtigen Schwierigkeitsgrad.

Das finale Puzzle ist dann das Meta-Rätsel zum Meta-Rätsel. Man hat PUSH bereits erfolgreich abgeschlossen und wird vor eine letzte Aufgabe gestellt. Es hat mich eine gute Weile gekostet herauszufinden, was das Spiel jetzt noch von mir will.

Diese App jetzt kaufen? PUSH!

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VOI

Sieben Jahre bin ich alt und sitze am Esstisch meiner Großeltern. Vor mir eine geöffnete Box, ein aufgeschlagenes kleines Heftchen mit Vorlagen und sieben schwarze Plättchen.  Verschieden große Dreiecke, ein Quadrat und etwas von dem ich erst sehr viel später erfahren werde, dass es sich Parallelogramm nennt. Ein Tangram Spiel. Oh wie mich das Legen all dieser Figuren fasziniert hat. Irgendwo muss diese Zauberschachtel auch noch sein. Eingemottet mit all den anderen Kindheitserinnerungen in den Tiefen des elterlichen Kellers. Ich weiß genau, nach was ich suchen werde, wenn ich das nächste Mal wieder nach Hause komme. Hoffentlich begeistert es meine beiden Buben, wenn sie alt genug sind, so wie mich damals.

Fast Forward um fast 35 Jahre. Ich sitze in der U-Bahn und verschiebe digitale schwarze Steinchen auf dem Bildschirm meines iPhones. VOI nennt sich das Spiel. Im Herzen ein Tangram, mit einem besonderen Twist.

War es beim Klassiker verboten Teile übereinander zu legen, so ist dies bei VOI ein Muss. Nur so lassen sich die insgesamt 88 Rätsel lösen. Stichwort „Kontravalenz“. Schwarz überdeckt Weiß, Schwarz über Schwarz ergibt Weiß, Weiß auf Weiß hat Schwarz zum Ergebnis. So simpel die Idee hinter dem äußerst minimalistischen Werk von gamebra.

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Ein Fingerwisch und schon ist das Tutorial gelöst.

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Klar, dass es nicht so einfach bleibt. Hier noch eine der leichteren Aufgaben, Level 5.

Das ist genau meine Art von Rätselspiel. Das kann ich gut, das macht mir Spaß. In gerade mal zwei Tagen bin ich durch VOI gestürmt. Schade, dass es schon wieder vorbei ist.

Viel mehr gibt es eigentlich auch nicht über das Spiel zu sagen. VOI ist Minimalismus pur und spielt sich bis auf wenige Momente ganz vorzüglich. Das eine oder andere Mal war das Spielfeld nicht groß genug, die Spielsteine bequem anzuordnen. Oder aber ich habe eine überdeckte Form einfach nicht wiedergefunden. Aber das sind nur wenige Ausnahmen. VOIs Suchtfaktor macht diese mehr als wett.

Mitunter ist es gar nicht das Finden einer Lösung, das die Faszination ausmacht. Sondern vielmehr das Entdecken all der anderen Figuren, über die man bei seinen Versuchen unweigerlich stolpert. Hier einige meiner Favoriten. Verschiedene Männchen, ein Kanufahrer, eine Teufelsfratze…

Für gerade mal 49 Cents kann man hier nichts falsch machen. Keine Werbung, keine In- Game Käufe. Nichts dergleichen. Einfach nur entspanntes Lösen von Aufgaben. VOI ist eine absolute Empfehlung und ich bin froh vom App Store darauf aufmerksam gemacht worden zu sein.

Kami 2

Und wieder einmal bin ich bei dem britischen Entwicklerstudio State of Play angekommen. Nach lume und INKS versuche ich mich nun an Kami 2, einem faszinierenden Puzzle-Spiel, das sich um das Einfärben von Flächen dreht. (Den ersten Teil habe ich geschickterweise gleich mal ausgelassen.)

Bei Kami gilt es mit einer vorgegebenen Anzahl an Zügen eine Ebene einheitlich zu füllen. Was zu Beginn, sprich Tutorial, noch kinderleicht ist.

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Ein Zug, und ich habe die Wahl zwischen zwei Farben. Ich entscheide mich für Rot und tippe in die gelbe Fläche. Eine wunderschöne Faltanimation später, und schon ist die erste Herausforderung gelöst. Perfekt! So weit, so gut, so einfach.

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Fünf Level weiter sieht die Welt schon anders aus. Drei Züge stehen zur Verfügung. Was tun?

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Starte ich mit Grün, Rot oder Gelb? In welchen Bereich setze ich meinen ersten Zug?

Gelb, Rot, Grün, in dieser Reihenfolge…Tada, wieder ein Puzzle geschafft. So kann es weitergehen. Drei Züge vorausdenken, das kann ich. So macht das Spaß.

Und dann kommt aber ziemlich schnell das große Aber. So leicht bleibt Kami 2 leider nicht. Sauschwer wird es! Insgesamt sind dabei 19 Welten zu bewältigen.

Das ist die letzte Challenge. 15 Züge! FÜNFZEHN!

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So toll Kami 2 auch ist, das ist mein größter Kritikpunkt. Wer kann denn solche ein Rätsel lösen? Ein endloses Ausprobieren. Oder aber man entscheidet sich für einen Hinweis. Nur kosten die dummerweise Geld. Schnell wird klar, wie Kami 2 sich finanzieren soll. Das Spiel selbst ist nämlich in Gänze kostenlos.

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Die Generation YouTube hebelt dieses Geschäftsmodell jedoch aus. Für jedes Level findet sich ein Tutorial online. Und so habe ich mich, unterstützt durch die Schwarmintelligenz, durch Kami 2 gerätselt, ohne auch nur einen einzigen Cent zu investieren.

Danach hätte ich das Spiel eigentlich auch schon wieder zur Seite gelegt. Doch dann bin ich auf den Level-Editor und die Spielerkreationen gestoßen. Welch unerschöpflicher Pool an Kreativität. Hier ein paar Beispiele.

Und so wird Kami 2 so schnell nicht wieder von meinem iPhone gelöscht. Nach über 200 gelösten User-Leveln mache ich mich nun daran erste eigene Gehversuche im Level-Design zu unternehmen.

Gerne würde ich mehr über die Mathematik erfahren, die Kami 2 zugrunde liegt. Aber das ist leider so gar nicht meine Welt. Nur ein kurzer Blick auf reddit.com hat bereits eine zerebrale Kernschmelze zur Folge…

Anyway, I think there’s a way to formalize this as follows: Given a (connected) graph G with a vertex coloring in k colors, we are given the option to change the color of one vertex. We then make a new graph G‘ where each vertex is a connected laberrabarberlaberrabarberlaberrabarberlaberrabarberlaberrabarber…..

Und so bleibe ich bei den Spieler-Leveln, dem Herausforderungsmodus und täglich neuen Rätseln. Kami 2, ein wirklich tolles Spiel.