Eine tolle Funktion der Webseite howlongtobeat.com ist es, dass man seine gesamte Steam-Bibliothek einlesen lassen kann. So ist mir nun bewusst, dass sich Spiele mit einer Gesamtspielzeit von 228 Tagen und 13 Stunden in meinem Besitz befinden. Was aber viel wichtiger ist, ich kann endlich alle Titel nach ihrer Dauer sortieren. Denn für die richtig großen Klopper wie „Baldur’s Gate“ oder „STAR WARS: Knights of the Old Republic“ fehlt mir zurzeit einfach die Energie. Die kürzeren Titel müssen ran, am besten durchspielbar in maximal einer Stunde. Die erste Wahl fällt daher auf den Action-Arcade Titel „ROCKETSROCKETSROCKETS“ (21 Minuten). Nur dumm, dass dieser gleich nach dem Start sofort abstürzt. Ich muss also weitersuchen und probiere mein Glück mit „Air Forte“, einem „anspruchsvolle[n] Spiel über Mathematik, Vokabular und Geographie.“ Das Ergebnis ist leider nicht viel besser, nur kurz hüpft das Game-Icon im Dock und schon ist der Spaß auch wieder zu Ende. Ich überspringe ein paar Spiele, die ich bereits erfolgreich abgehakt habe und bleibe bei Rituals hängen. Das könnte mich interessieren. Installation fehlerfrei abgeschlossen, das Spiel startet und ich werde von dem Menü begrüßt. Na also, geht doch.
Worum geht es?
Die Handlung setzt spät abends in einem der zahlreichen Räume eines typischen Bürogebäudes ein. Die Uhr an der Wand zeigt bereits kurz nach zehn und man muss wohl am Schreibtisch eingenickt sein. Es ist höchste Zeit aufzubrechen, denn in Kürze wird der Reinigungsdienst seine Arbeit aufnehmen.
Also Licht aus, und raus auf den Gang. Wie zu erwarten ist weit und breit keine Menschenseele mehr anzutreffen. Eigentlich müsste man sich nun schnurstracks zum Aufzug begeben, aber irgendwie lädt die verlassene Etage zur Erkundung ein. Im Schreibtisch eines Kollegen entdeckt man einen Schlüssel, mit dem man durch eine bis dahin verschlossene Glastür ein Stockwerk nach oben gelangt. Dort fällt der Blick auf einen Türkartenscanner. Äußerst seltsam, denn im gesamten Büro werden ansonsten keine Ausweiskarten benötigt.
Ein Whiteboard und eine auf einem Tisch liegende, ausgedruckte E-Mail geben weitere Rätsel auf.
Aber es ist einfach zu spät, sich heute noch den Kopf drüber zu zerbrechen. Morgen ist auch noch ein Tag. Jetzt muss man wirklich nach Hause. Also zurück zum Aufzug und den Knopf nach unten drücken. Es rumpelt, das Licht beginnt zu flackern. Wieder ein starker Ruck, Stromausfall. Man stürzt! Als man wieder zu Bewusstsein kommt und sich die Fahrstuhltür vor einem öffnet, befindet man sich wo auch immer, aber sicher nicht mehr in dem Gebäude. Oder doch? Vorsichtig tritt man in eine nächtliche Waldlandschaft hinaus, einzig erleuchtet durch den am Himmel stehenden Vollmond. Gegenüber dem Aufzug befindet sich eine Art Tempel, auf den man sich nun zubewegt…
Fazit
Bei „Rituals“ handelt es sich um ein Erkundungsspiel in der Egoperspektive. Ziel ist es herauszufinden, was es mit dem vermeintlichen Büroturm in Wirklichkeit auf sich hat. Oder wie es der Entwickler Tymon Zgainski etwas philosophischer ausdrückt, ein „Spiel über die Beziehung von Zivilisation und Natur.“
Durch zahlreiche surreale Landschaften und Orte führt die Reise dabei. In jedem Abschnitt gilt es ein Rätsel zu lösen, das einen zunächst am Weiterkommen hindert. In einer Art Dschungel hat man zum Beispiel schnell ein Kanu und das zugehörige Paddel entdeckt. Wie aber kommt man nun an dem Krokodil vorbei, das am Flussufer ruht? Man sieht sich um, sammelt Gegenstände ein und muss diese an passender Stelle zum Einsatz bringen. Allzu schwer sind die zu bewältigenden Aufgaben nicht, und auch das Inventar bleibt stets übersichtlich. Ein jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen und dennoch Teil eines durchgängigen Handlungsstrangs.
Die Pfade, auf denen man sich in der Spielwelt bewegt, sind durch eingeblendete Pfeile vorgegeben. Ein wenig spielt sich das Ganze wie das Navigieren durch Google Maps‘ Street View. Was aber nicht weiter stört. Einzig die Blickrichtung entlang der x- und y-Achse musste ich sofort in den Settings umstellen. Die Maus nach rechts zu bewegen, um nach links blicken zu können, treibt mich persönlich in den Wahnsinn.
Am Ende des Abenteuers gelangt man dann wieder zurück in die Tiefen des Bürogebäudes und wird vor eine alles entscheidende Wahl gestellt. Zwei mögliche Enden besitzt „Rituals“, die man beide Gottseidank ausprobieren kann, ohne das gesamte Spiel von neuem beginnen zu müssen.
Dass die Handlung in den Augen des einen oder anderen Spielers ein wenig an den Haaren herbeigezogen sein mag, kann ich gut ausblenden. Viel wichtiger ist mir die Stimmung, die „Rituals“ erzeugt. Und diese ist ganz fantastisch. Gerade das Erforschen des leerstehenden Gebäudes oder die Erkundung der industriell anmutenden Orte hat mir oft eine richtige Gänsehaut bereitet. Und so viel sei verraten, ganz allein ist man nicht.
Wer also Spiele wie „Myst“ mag, der wird auch an „Rituals“ seine wahre Freude finden. Gerne empfehle ich den Titel weiter.