Tattletail

Und weiter geht es mit einem Titel, der Humble Bundle sei Dank in meine Steam-Bibliothek gewandert ist. Mit einer Gesamtspielzeit von gut eineinhalb Stunden laut howlongtobeat.com. Irgendetwas muss ich aber wohl falsch gemacht haben, denn letzten Endes habe ich fast das Doppelte an Zeit in das kleine Horrorspiel des Entwicklers Waygetter Electronics versenkt. Drei Stunden, die es aber in sich hatten. Ich weiß schon, warum ich so selten in dieses Genre abdrifte. Das ist einfach nichts für meine schwachen Nerven.

Worum geht’s?

Tattletail lässt sich kurz und knapp mit „Furby goes to horrorwood“ zusammenfassen.

Noch fünfmal schlafen, dann ist es soweit, Weihnachten des Jahres 1998 seht vor der Tür. Welches Kind kennt sie nicht, die Vorfreude und das einem schier endlose erscheinende Warten auf den großen Moment, an dem all die Geschenke unter dem festlich geschmückten Baum liegen und endlich ausgepackt werden dürfen.

Vor allem wenn man sowieso schon weiß, was das Christkind einem bringen wird. Und auch den Ort im Keller kennt, an dem die Eltern die Pakete versteckt halten.

Und so schleicht man sich in der ersten Nacht des Spiels auf Zehenspitzen aus dem Kinderzimmer hinaus, den dunklen Flur entlang und die Treppe hinab. Ganz vorsichtig wickelt man das Geschenkpapier ab, öffnet die Verpackung und hält endlich „Tattletail“ in Händen, ein geschwätziges Stück Fell gefüllt mit Elektronik.

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Bewusst doppeldeutig ist der Name dieses Spielzeugs vom Entwickler gewählt. Denn im Verlauf der kommenden Nächte wird man mehr als einmal von dem Furby-Klon verpetzt werden.

Zunächst verläuft aber alles vollkommen harmlos. Einmal eingeschaltet plappert das pelzige Ding eifrig vor sich hin und man lernt so dessen drei Grundbedürfnisse kennen: Essen, Bürsten, Akku Laden. Kommt man einer dieser Aufgaben nicht rechtzeitig nach, so beginnt sich Tattletail lauthals mit blecherner Stimme zu beschweren. Das einzig wirklich befremdliche ist, dass das Spielzeug nach echtem Essen verlangt. Und so schleicht man sich mit der Puppe im Arm wieder zurück ins Erdgeschoss, füttert sie am Kühlschrank und kämmt im Anschluss daran ihr Fell. Dann ist es aber höchste Zeit alles wieder einzupacken. Nicht dass die Eltern doch noch wach werden. Also zurück in den Keller, rein mit Tattletail in seine Box und das Geschenkpapier wieder in Form gebracht. Und husch ab ins Bett.

In der darauffolgenden Nacht wird man von einem klopfenden Geräusch geweckt, das aus dem Keller zu kommen scheint. Wieder schleicht man durch das spärlich beleuchtete Haus, nur mit einer Taschenlampe ausgerüstet, die Stufen in die Dunkelheit hinab und entdeckt Tattletail auf der rumpelnden Waschmaschine sitzend. Wie auch immer es ihm gelungen sein mag, sich selbst aus der Verpackung zu befreien.

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Die Puppe lädt zum Spielen ein, man soll eine Vase für sie finden. Und dann geht von einer Sekunde auf die andere das Licht aus. Umgeben von rabenschwarzer Nacht wird man Zeuge des ersten Auftritts von Mama Tattletail. Es handelt sich dabei um das noch wesentlich größere Vorgängermodell, das nun Jagd auf seine „Kinder“ und deren Besitzer macht.

Hört sich nach absolutem Blödsinn an? Ist es in meinen Augen auch. Aber mein Gott ist das nervenaufreibend. Alles was man von Mama zunächst zu Gesicht bekommt, ist das blutrote Leuchten ihrer Augen in pechschwarzer Nacht. Kommt sie aber in die Nähe so hört man ihr unheimliches Krächzen und immer wieder den zuckersüßen Satz „Come to Mama!“, den man so schnell nicht wieder vergisst.

Auf keinen Fall darf man sich von ihr erwischen lassen. Ansonsten ist die Nacht gescheitert und man muss von neuem beginnen. Bis zum Schluss des Spiels habe ich mich nicht an das Bild von Mama gewöhnen können, wie sie sich mit feurigen Augen und weit aufgerissenem Maul wie aus dem Nichts kommend auf mich stürzt, um mich mit ihren spitzen Zähnen zu zerfleischen. Beim ersten Mal ist mir der Schreck bis tief in alle Glieder gefahren.

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Um ihren Fängen zu entgehen, ist es zwingend notwendig ein jegliches Geräusch zu vermeiden. Kein Klicken mit der Taschenlampe, die sich unglücklicherweise nur durch Schütteln aufladen lässt. Und bloß nicht losrennen, was viel zu viel Krach machen würde. Am besten man harrt an Ort und Stelle aus. Wenn da nicht der vor Angst bibbernde Tattletail wäre, den man die ganze Zeit über mit sich herumträgt. Und wehe einem, sollte man vergessen haben ihn zu füttern, zu bürsten oder aufzuladen. Denn beginnt das Spielzeug sich erst lauthals zu beschweren, so ist man ist unweigerlich verloren. Mutter wird einen finden und zerfetzen.

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Die vollständige Dunkelheit und die mit ihr verbundene Jagd dauert glücklicherweise immer nur eine kurze Zeit an. Beginnen die Lampen wieder zu flackern, so ist der Spuk zunächst vorüber, man ist gerettet und kann sich wieder um das Erledigen der Aufgaben widmen, die Tattletail einem stellt.

Fünf solcher Nächte gilt bis zum Anbruch des Weihnachtsmorgens zu überleben. Immer schwerer wird es Mama zu entkommen und mit jeder Nacht betritt auf unerklärliche Art und Weise eine weitere Tattletail-Puppe die Bühne. Die elektronischen Spielzeuge bereiten sich auf eine Art okkulter Zeremonie vor, mit dem Ziel ihre „Mutter“ ein für alle Mal zu bannen.

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Höhepunkt des Spiels ist dann die Durchführung dieses Rituals, bei dem es gilt, alle Tattletails und natürlich sich selbst ein letztes Mal vor den Angriffen Mamas zu beschützen.

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Fazit

Wie bereits geschrieben, das Ganze ist eigentlich hanebüchener Unsinn und könnte dennoch nicht nervenaufreibender sein. Was habe ich mich gefürchtet. Ein Furby kommt mir mit Sicherheit nicht ins Haus. Wer aber Horror-Spiele mag, der ist hier bestens aufgehoben.

Erst durch die Lektüre des Wikipedia-Artikels zu „Tattletail“ habe ich erfahren, dass es mir trotz fünf überstandener Nächte nicht gelungen ist, das gute Ende der Geschichte freizuspielen. Dazu hätte ich alle versteckten Spielzeugeier finden müssen, die von den spitzohrigen Wesen in Haus, Keller und Garten hinterlassen werden. Ich glaube nicht, dass ich allzu viele übersehen habe, aber noch einmal kehre ich sicher nicht an diesen unheimlichen Ort zurück.

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Vor allem da ich auch gleich im Anschluss an die Hauptgeschichte noch die Erweiterung namens „Kaleidoscope“ gespielt habe, in der die Geschichte rund um den verhexten Furby-Klon weitergesponnen wird. Endlich ist der ersehnte Weihnachtsmorgen gekommen, aber irgendetwas stimmt hier nicht. Denn meine Erinnerungen an die Ereignisse der vergangenen fünf Nächte wurden manipuliert. Es klingelt an der Tür. Der Postbote hat einen Brief für mich dagelassen, der eine geheimnisvolle Nachricht enthält.

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Um herauszufinden, was sich an Tagen vor Weihnachten des Jahres 1998 wirklich im Haus abgespielt hat, muss ich nun in ein tief unter dem Keller gelegenes Labyrinth hinabsteigen, an einen Ort, an dem Fiktion und Realität vollkommen durchmischt sind. 

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Geleitet von Nachrichten, die mir ein Unbekannter hinterlassen hat, dessen eigene Geschichte wohl weit unglücklicher verlaufen ist als die meinige.

Noch viele weitere Geheimnisse existieren, denen man im Spiel nachgehen kann. Wo sind zum Beispiel die Eltern, die man nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommt? Und was hat es mit dem Telefon auf sich, das eine jede Nacht just in dem Moment zu klingeln beginnt, in dem man sich wieder auf den Weg ins Bett begibt. Ich habe mich nicht getraut den Hörer abzuheben.

Trotz all der Mystik und Spannung besitzt „Tattletail“ dennoch einen kleinen Schwachpunkt. Die letzte Nacht vor Weihnachten zieht sich und nur allzu leicht scheitert man an den gestellten Aufgaben. Leider kommt der erste Speicherpunkt ein wenig spät, so dass man gezwungen ist, alles bis dahin bereits erledigte noch einmal zu spielen. Zu Beginn ist da noch Nervosität und Horror. Man schleicht sich vorsichtig aus dem Kinderzimmer in den dunklen Flur des Hauses, leuchtet mit der Taschenlampe nach links und nach rechts. Entdeckt zunächst die verschlossene Kellertür und dann den Hinterausgang zum Garten. Ich will nicht zu viel verraten, aber es vergeht eine gute Weile, bis Mama zum ersten Mal ernsthaft ihre Jagd aufnimmt. Wird man dann aber von ihr erwischt, so startet man erneut im Kinderzimmer. Immer und immer wieder. Irgendwann habe ich alle Schritte einfach nur noch mechanisch abgespult, in dem Wissen, dass mir bis zum Zeitpunkt X sowieso nichts passieren kann. In dem Moment, in dem man aber das Leveldesign verstanden hat, ist es natürlich vorbei mit dem Horror. Gottseidank ist mir dies nur ein einziges Mal und auch erst ganz am Schluss aufgefallen. Ansonsten hätte ich mich vermutlich deutlich weniger geängstigt.

„Tattletail“ kann ich auf alle Fälle empfehlen. Wer hätte gedacht, dass man aus einem harmlosen Furby ein solides Horror-Spiel machen kann.

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