In diesem Leben werden Real Time Strategy und ich keine Freunde mehr. Dieses Genre liegt mir so ganz und gar nicht. Nur Simulatoren stehen für mich noch weiter unten. Das sind die Aussätzigen meines Spiele-Kastensystems. Wer zur Hölle will denn schon Truck Simulator spielen?
Bei RTS ist mir alles zu schnell, zu viele Informationen auf einmal. Was muss ich bauen? Welche Einheiten soll ich ausbilden? Wo muss ich hin? Oh Gott, mein Stoßtrupp wird angegriffen! Und meine Basis befindet sich unter Beschuss. Sch…verklickt. Schon wieder. Game Over!
Nicht, dass ich die Faszination, die Spiele wie StarCraft oder DOTA ausüben, nicht verstehen würde. Kommentierte Matches auf YouTube sind ganz großes Kino. Aber bei meinen knapp 30 APMs versage ich selbst auf dem Schwierigkeitsgrad für N00bs regelmäßig bei einem Ansturm der Zergs. An ein Online-Match ist erst gar nicht zu denken.
Aber was wäre, wenn man ein aufgeblasenes RTS-Game so lange beschneiden würde, bis nur die allerwichtigsten Elemente, die solch ein Spiel ausmachen, übrigbleiben? Die Essenz der Real Time Strategy?
Amir Rajan hat mit Mildly Interesting RTS hierauf eine Antwort geliefert. Weg mit unterschiedlichen Einheiten. Weg mit dem Abbau von Mineralien. Weg mit dem Errichten einer Basis. Weg mit dem Ausbilden von Nachschub. Es bleiben eine Map und der Kampf Rot gegen Blau. Nicht mehr und nicht weniger.
MIRTS ist eine Perle unter den iPhone-Spielen. Wie eigentlich alles aus der Feder von Amir. A Dark Room, einer der besten Titel, die mir bisher untergekommen sind. Und ja, ich spiele viel. Seit über 30 Jahren. The Ensign, knallhartes aber richtig tolles Spiel. A Noble Circle, siehe hier.
Während die Uhr unerbittlich herunter tickt, gilt es die Oberhand auf einer Karte zu erlangen. Ist eine Basis besetzt, so produziert diese automatisch Nachschub. Alle 60 Sekunden kann man Verstärkung anfordern, alle 150 Sekunden steht einem der Abwurf einer Atombombe frei. Mit „haste“ kann eine besetzte Basis verstärkt werden und so schneller neue Truppen produzieren. Mit einem simplen Fingertip werden die Einheiten über die Map bewegt.
Aus diesen wenigen taktischen Elementen und dem Aufbau der jeweiligen Karte ergibt sich dennoch ein erstaunlich tiefes Spiel. Mit einer knallharten AI, die bis zum letzten Mann kämpft. „Never give up, never surrender!“ Man selbst gibt nur allzu oft auf. Gelangt man einmal ins Hintertreffen, so ist ein Comeback nahezu unmöglich. Man wird gnadenlos überrannt. Allein der AI beim Spielen zuzusehen macht mir Spaß.
Zu Beginn eines jeden Levels hat man die Wahl der Geschwindigkeit und die Anzahl der Unterstützung. Mit den Standardeinstellungen habe ich die AI bereits auf jeder Karte besiegt. Durchgespielt „Light“. Mit den anderen Optionen muss ich noch experimentieren. Und auch einen menschlichen Gegner, mit dem ich mir über Bluetooth ein Match liefern kann, habe ich noch nicht gefunden.
RTS macht plötzlich auch mir wieder Spaß. Und endlich bin ich gut! Von „mildly interesting“ kann hier kaum die Rede sein. Welch Untertreibung.
An Karten ist eine breite Vielfalt geboten. Ich habe mich zum Kauf des Spiels entschieden und so auch Zugriff auf die Veteranen-Maps. Zusätzlich zum epischen Kampf Red vs. Blue tummeln sich nun auch lila Einheiten auf dem Schlachtfeld.
Mildly Interesting RTS ist eine absolute Kaufempfehlung. Auch für RTS-Hasser wie mich. Simple, elegant, tief. Das Spiel wird mich noch eine gute Weile auf dem iPhone begleiten.
P.S.: Wer hinter die Kulissen blicken möchte kann Amir Rajan auf Twitch folgen und ihm beim Programmieren zusehen. Das ist aber natürlich nur was für Entwickler.